Der Sprachkurs an der städtischen Volkshochschule hält Senioren fit Mit 66 Jahren, da fängt man Englisch an
Die älteste Schülerin ist 88, der jüngste Teilnehmer 71 Jahre alt. Und sie kommen immer wieder gern zum Englischkurs. Neben englischen Texten und Kreuzworträtseln gibt es auch die ein oder andere Weinbrandbohne.
Stendal l Helles Stimmengewirr, Federtaschen und Hefter liegen auf den Tischen, Gelächter. "Are you ready? (Seid ihr bereit?)" fragt die Englischdozentin Katrin Kittler. "Yes", antworten die Senioren kraftvoll, und schon ist Stille.
Der 71-jährige Fritz Bertkau sitzt vorn. Er ist hier der Jungspund. Im Englischkurs für Senioren an der Volkshochschule ist er seit acht Jahren. Nach einem gesundheitlichen Engpass wollte er sich körperlich fit halten. Er zeigt auf seine Stirn: "Und ich wollte hier oben nicht einrosten." Sein erster Eindruck vom Kurs war positiv: "Ich habe mich umgeschaut und gedacht ¿Alles dieselben alten Köppe, hier passt du rein.\'" Denn ein 40-Jähriger hätte ihn doch im Gespräch glatt an die Wand gespielt, findet er.
Christine Schreiber (88) schätzt das Zusammensein
Auch die 88-jährige Christine Schreiber wollte sich geistig fit halten, kam vor vor fünf Jahren zu Lehrerin Kittler und ihren Englischschülern. Sie spricht zwar fließend Englisch und Spanisch, auch ein bisschen Dänisch, aber die ehemalige Grundschullehrerin schätzt vor allem das gemeinschaftliche Zusammensein. "Wir verstehen uns sehr gut hier. Und ich möchte dabei sein." Manchmal denkt sie ans Aufhören, schließlich ist sie mit ihren 88 Jahren die Älteste im Kurs, aber sie wohnt gleich um die Ecke. Das ist praktisch.
Lehrerin Kittler verteilt Kopien. Zum Aufwärmen hat sie Kreuzworträtsel mitgebracht. Emsig brüten die Schüler über ihren Aufgaben, sie müssen Körperteile und Wochentage erraten. Manchmal stecken die Nachbarn ihre Köpfe zusammen, flüstern. Für Kittler kein Grund, zur Ruhe zu mahnen. "Wir sehen das hier nicht so eng wie in der Schule, es kann sich auch ausgetauscht werden", sagt sie schmunzelnd.
Fritz Bertkau interessiert die Lebenserfahrung der Mitschüler
Im Unterricht geht es Bertkau, der früher als Qualitätsprüfer für Funkanlagen auch die englische Sprache beherrschen musste, viel mehr um den Austausch untereinander. "Sprache und Grammatik - das kann ich alles", winkt er ab, "mich interessieren die Lebenserfahrungen der anderen und ihre unterschiedlichen Blickwinkel." Und schon zählt er seine Mitschüler durch. "Wir haben einen Handwerker, einen Tierarzt, eine Archivarin der Kreisjugendbibliothek und Christine Schreiber, die viele Jahre im Ausland gelebt hat. Alle haben Unterschiedliches erlebt. Das ist es, was mich interessiert."
Nach der Aufwärmübung werden die Hausaufgaben kontrolliert. Eine Mitschülerin liest einen Text über Hawaii. Jeder Schüler hat einen Absatz bearbeitet, liest seine Textpassage laut vor und übersetzt. Etwas über andere Kulturen und Länder zu erfahren, das ist das, was Christine Schreiber reizt. "Diese Reiseberichte faszinieren mich", sagt sie. Bertkau nickt zustimmend: "Auch die Texte zu aktuellen politischen Entwicklungen wie zur Präsidentschaftswahl, zum Pulitzer-Preis oder zur Investmentbank Lehman-Brothers waren interessant."
Kittlers Unterricht ist seniorengerecht. Sie wiederholt viel, und es gibt keinen Leistungsdruck. "Naja, manchmal, wenn ich nach Hause komme und schon sehr müde bin, dann sage ich zu mir, heute hast du deinen Kopf ganz schön anstrengen müssen", gesteht Schreiber. Und als im Sommer dreißig Grad waren, ist die 88-Jährige auch mal zu Haus geblieben. "Wegen der Hitze, das schaffe ich nicht."
Es darf sogar zwischendurch genascht werden
Aber trotzdem kommen die Senioren gern wieder. Jede Woche, jeden Dienstag. Eine Familie sind sie geworden, sagen sie. Ihre Dozentin sei für sie wie eine Enkeltochter. "Wir stöhnen am Montag nicht, ach, morgen ist ja wieder Englisch. Nein, wir sagen, ach ja, toll, morgen können wir wieder zum Englisch", sagt Bertkau. Und vielleicht steht dann auch wieder eine Kleinigkeit auf dem Tisch, Schokomarienkäfer oder Weinbrandbohnen, denn in Katrin Kittlers Unterricht darf auch zwischendurch genascht werden.