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Orden Der Mäzen aus Kremkau

Der Künstler Helmut Block hat von Ministerpräsident Haseloff die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland erhalten.

Von Rudi-Michael Wienecke 29.09.2016, 01:01

Kremkau l Da sitzt ein intellektueller Künstler: Zigarette, schütteres Haar, grauer Bart, Schal um den Hals, Kerze auf dem rustikalen Tisch und Tausende von Büchern in den Regalen ringsum. Helmut Block bedient dieses Klischee. In andere Schubladen lässt er sich nicht so schnell stecken. Er hat Visionen, ist aber alles andere als ein „weltfremder Spinner“. Er ist Realist mit Idealen, er ist ein nüchtern kalkulierender Unternehmer, der auch gern Geld in unrentable Projekte steckt. Mit seiner alles anderen als gradlinigen Biographie fesselt er den Zuhörer und schnell wird klar: Der Mann ist vernetzt. Größen aus Politik und Wirtschaft kennt er teilweise seit seiner Jugend. Beziehungen schaden nur dem, der keine hat. Block nutzt seine, um andere zu fördern.

Als Verleger lehrt er den literarischen Nachwuchs das Laufen. Der 62-Jährige gruppiert 14- bis 19-jährige Jugendliche um sich, fordert ihre Kreativität. Jüngste Endprodukte sind ein Buch und eine CD mit dem Titel „Wir in unserer Welt“. Die Heranwachsenden beschreiben in verschiedenen Genres, von Lyrik über Kurzgeschichten bis hin zum fiktiven Interview, ihren Alltag, ihre Gefühlswelt.

Die Aufmachung der Werke ist professionell. „Das ist alles auf dem Mist der Kids gewachsen“, versichert der Literat ganz unpoetisch im Umgangsdeutsch. Er habe sich „lediglich“ um das Know-how gekümmert. Block ging hausieren, nutzte seine Beziehungen, öffnete Brieftaschen und das Tonstudio von „Radio SAW“. Letzteres fällt ihm relativ leicht. Er hob den Privatsender im Zuge der Wende aus der Taufe, ist einer von aktuell 23 Gesellschaftern und stellvertretender Beiratsvorsitzender.

Geld lässt sich mit so einem Projekt nicht verdienen. „Jeder Betriebswirt würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“, gibt der Unternehmer zu. Der Literaturfachmann schwärmt dagegen von den Ergebnissen und gibt eine Hörprobe von der CD. Die Stimme eines jungen Mannes ist zu hören und die Augen seines Kremkauer Mäzens werden feucht. „Er studiert heute in Leipzig Literatur“, entschuldigt sich Block fast, während er das Taschentuch zückt. Block ist stolz auf „seine Kids“. Um den literarischen Nachwuchs ist ihm nicht bange, der künftige Autorenstamm gesichert. Ein bischen Eigennutz ist eben auch dabei.

Auf der anderen Seite fordert der Verleger die Generation zum Schreiben auf, die bald diese Welt verlassen wird. Mit seiner Schriftenreihe „Vergangen – nicht Vergessen“ gibt er Zeitzeugen die Möglichkeit, ihr eigenes Erleben im Krieg, auf Flucht und Vertreibung, für die Nachwelt zu bewahren. „Das ist Geschichte, die sonst mit den Menschen verloren geht“, begründet er. Wie die Schlacht bei Stalingrad ausging, sei allgemein bekannt, aber eben nicht, wie sie der einzelne Soldat durchlitt. Auch hier ist ein wenig Eigennutz dabei. Der Literat Block ist nämlich auch Historiker und er nutzt seine Möglichkeiten, um dieses Steckenpferd zu reiten.

Die Möglichkeiten bietet der Verlag in Kremkau, den er gemeinsam mit seiner Frau betreibt. Nach Abitur und Lehre zum Maschinen- und Anlagenmonteur, Studium der Bibliothekswissenschaften, Tätigkeiten in der Kreisbibliothek Wolmirstedt und an der Pädagogischen Hochschule in Magdeburg, Dozententätigkeit und Studium zum Diplompädagogen für Geschichte, verwirklichte sich der gebürtige Altmärker, der als 14-Jähriger aus beruflichen Gründen von seinen Eltern nach Magdeburg „verschleppt“ wurde, 1989 einen Jugendtraum. „Ich wollte schon immer veröffentlichen und mit Illusionen ohne Ende gründeten wir den Verlag.“ Das kleine Unternehmen meisterte in den vergangenen 26 Jahren alle Hürden, während viele andere dieser Art mehr oder weniger schnell wieder von der Bildfläche verschwanden. Die Illusionen seien noch da, der Bestseller lasse aber noch auf sich warten. Die Hoffnung, das nächste Buch könne es werden, sei nach wie vor noch da. „Man kann nie vorher sagen, was sich verkauft und was nicht. Das schnelle Geld können Sie mit einem Verlag eben nicht verdienen.“

Regionale Literatur, Geschichtliches, Kinderbücher, Reisebeschreibungen oder Krimis sind der Broterwerb des Zwei-Mann-Betriebes. Unter anderem rettet Block die seit 1958 in der DDR erschienene „Blaulicht“-Reihe. Über 270 Hefte wurden zu DDR-Zeiten mit je 200 000 Exemplaren verlegt. Unter Blocks Regie kamen nach der Wende weitere 44 Bücher hinzu.

Rund 20 Schreibende zählen zum Autorenstamm. Helmut Block, der selber schreibt, hatte bisher allerdings noch nicht selber veröffentlicht. „Zu meinem 65. Geburtstag will ich mir aber mein eigenes Buch gönnen“, hat er sich vorgenommen. Geschichten und Gedichte sollen es werden. Außerdem seien einige Kinderbücher von ihm mit den Sagen der Altmark fast fertig. „Ich suche nur noch einen Zeichner.“

Block lässt keine Zweifel daran, dass er mit dem Verlag seinen Traum lebt, „obwohl ich eigentlich Pfarrer werden wollte“. Das Theologiestudium holte er nach der Wende nach. Wenn man den Kremkauer nun doch in eine Schublade stecken will, dann ist es im besten Sinne die des „ewigen Studenten“. Erst im vergangenen Jahr schloss er mit dem Master in der Tasche sein Jurastudium ab. Seine Kinder, beides promovierte Philosophen, sind sich nicht sicher, ob er nicht doch noch eine Doktorarbeit schreiben wird. Denkbar wäre da der Dr. jur., aber der Verleger, Literat, Historiker, Lehrer, Theologe und Jurist lässt diese Frage noch offen.