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Pendeln zwischen Master und Marathon

18.12.2012, 09:59

Tangermünde l Er ist weder Marathonläufer noch Ausdauerfan, sucht auch nicht in Extremsportarten den persönlichen Kick. Und doch hat sich Carsten Birkholz einer Sache verschrieben, die in den vergangenen vier Jahren für ihn zu einer Art Extremsport avanciert ist. Sie treibt ihn an die persönliche Belastungsgrenze und oft auch darüber hinaus, fordert ihn physisch und psychisch, verlangt aber in erster Linie großes Organisationstalent. Der 27-Jährige stellt zusammen mit einem kleinen Team anderer Freiwilliger seit 2009 den Tangermünder Elbdeichmarathon auf die Beine.

Dass er einmal zu denen gehören würde, die ein so großes Projekt zu stemmen haben werden, hätte er niemals vermutet. "Es war eher Zufall, dass ich zum Verein kam", erinnert er sich heute. Im Jahre 2008 suchte Ralf Korte nach Verbündeten, um einen Verein gründen zu können. Nach dem ersten Marathon in der Stadt an der Elbe sollte es Veränderungen geben, ein Verein im nächsten Jahr die Regie führen, den gesamten Organisationsaufwand auf sich nehmen. "Ich sagte Ja und war damit das siebte Mitglied des Tangermünder Elbdeichmarathonvereins."

Bereits im ersten Jahr verlangte die Organisation des zweiten Laufes dem jungen Mann alles ab. Der Student für Wirtschafts-Ingenieurwesen war in der heißen Phase der Vorbereitungszeit bei einem großen deutschen Autobauer in Stuttgart tätig. "Jedes Wochenende bin ich damals nach Hause gekommen. Das war echt anstrengend", sagt er. Und als der Marathon vorüber war, war auch seine Zeit in Stuttgart beendet.

Als der Verantwortliche für die Finanzen im Verein hat der Tangermünder klare Aufgaben. Schon heute, da der 5. Marathon eben erst über die Bühne ging, denken die Macher dieser Sportveranstaltung bereits an die nächste Auflage. Nach dem Motto "Nach dem Marathon ist vor dem Marathon" werden Gespräche mit Sponsoren und Partnern geführt, wird geklärt, wer auch 2013 wieder mit dabei sein wird, wer den Marathon auf welche Weise unterstützen möchte.

Das Team an Mitstreitern ist in den vergangenen vier Jahren kaum gewachsen. Maximal zehn Männer und Frauen sind es, die letztendlich für die mehr als 1000 Laufinteressenten diese gigantische, inzwischen auch mehrtägige Veranstaltung meistern. Treffen sie sich ab Ende des Jahres vielleicht einmal im Monat, so werden die Abstände in den Wochen vor dem großen Tag immer kleiner. "Zuletzt sehen wir uns fast jeden Tag, anders geht es gar nicht", erzählt Carsten Birkholz.

"Wir wollen hier leben, weil wir Tangermünde lieben."

Während er im März und April an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin seine Masterarbeit schrieb, regelte er zugleich täglich per E-Mail und Telefon die gesamte Anmeldungsschiene des Marathons, plante Sponsorentreffen, informierte andere Vereinsmitglieder über Dinge, die noch getan werden müssen, über Absprachen, die noch erforderlich sind. Immer wieder führte ihn der Weg von seiner Potsdamer Wohnung nach Tangermünde.

"Allerdings nicht nur wegen des Laufes. Anne und ich wollen hier leben, weil wir Tangermünde lieben", sagt der junge Mann. Anne Kupfer, ebenfalls im Verein tätig und in die Organisation des Marathons eingebunden, teilt mit ihm in Potsdam die Wohnung. Zusammen wollen sie nach Beendigung des Studiums wieder nach Tangermünde zurückkommen. "Wir wollen hier weitermachen, uns dafür engagieren, dass auch etwas los ist", nennt der 27-Jährige seine Ansprüche. "Man kann die Laufveranstaltung noch viel weiter ausbauen, mehr Unternehmen der Stadt mit einbeziehen, sie für mehr Menschen attraktiver machen." Sein Ziel ist es jedes Jahr aufs Neue, "ein gutes Bild zu bieten". Das beeindruckt die Läufer und sorgt dafür, dass sie gern wiederkommen oder vielleicht einmal mehr Tangermünde besuchen.

Carsten Birkholz ist sich sicher, dass die Veranstaltung von und mit all den Menschen lebt, die dabei sind, die mit organisieren, sich als Helfer zur Verfügung stellen, aber auch als Sportler auf die Strecke gehen. "Deshalb hätten alle den Blumenstrauß verdient. 2012 war einfach toll. Es hat viel Spaß gemacht."

Das sagt der künftige Mitarbeiter von VW in Wolfsburg heute. Doch gab es nicht auch in jedem Jahr einen Zeitpunkt, an dem er die ganze Sache hätte hinschmeißen wollen? "Natürlich", gibt er ehrlich zu. "In diesem Jahr wollten wir, also Anne und ich, am 10. April nicht mehr. Doch am 15. April war alles wieder so wunderbar, dass wir natürlich nicht ans Aufhören denken. Jetzt kribbelt es schon wieder."

Dass der Tangermünder Organisationstalent besitzt, hatte er bereits als Schüler bewiesen. "Wir haben uns damals für die Skateranlage am Tanger starkgemacht", erinnert er sich. Denn zu seiner Schulzeit, die er 2004 mit dem Abitur beendete, spielte er besonders gern Basketball, unterstützt von Sportlehrer Detlev Pohl. "Nach uns gab es dann keine Mannschaft mehr."

Wenn der künftige Wirtschaftsingenieur Freizeit hat, dann geht er mit Inlineskates raus in die Natur oder fährt Rad. "Laufen ist nichts für mich", gesteht er. Versucht hat er es. Schließlich hat der Verein die Läuferseminare organisiert und inzwischen auch einen Lauftreff gegründet.

"Wir sind ein eingespieltes Team. Niemand muss sich für Entscheidungen rechtfertigen."

Motivation für den stets nächsten Marathon an der Elbe bei Tangermünde sind die vielen Reaktionen nach dem Lauf. Nicht nur Gästebucheinträge erreichen die Macher. Persönliche Briefe, E-Mails, Anrufe und Einträge bei Facebook sind es, die dem zehnköpfigen Team und damit auch Carsten Birkholz Bestätigung geben, auf dem richtigen Weg zu sein. Und er lässt nichts auf das Vereins-Team kommen. "Wir sind eine eingespielte Mannschaft. Und das Beste ist: Niemand muss für seine Entscheidungen, die er direkt während der Marathonveranstaltung trifft, geradestehen." Bevor die Männer und Frauen den nächsten Lauf in Angriff nehmen, müssen sie eine grundsätzliche Frage klären: "Wollen wir mit dem Lauf wachsen? Oder: Wollen wir ihn auf 1500 Läufer begrenzen und das Rundherum optimieren?", nennt Carsten Birkholz die Themen, die jetzt nach Klärung verlangen. Eine Antwort darauf gibt es noch nicht.

Allerdings weiß Carsten Birkholz für sich: Er kommt zurück nach Tangermünde. Er wird dem Verein weiterhin treu bleiben und zusammen mit Bernd Ebert die Ausbildung zum Streckenvermesser absolvieren. Und er wird dabei sein, wenn der 6. Tangermünder Elbdeichmarathon organisiert werden will.