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Politischer Salon Kemper: "Europas Rechte formieren sich"

Der Politische Salon des Studierendenvereins der Hochschule Stendal befasste sich am Mittwoch mit der Partei AfD.

Von Anne Toss 05.02.2016, 00:01

Stendal l Die Alternative für Deutschland (AfD) hat sich in der Parteienlandschaft Deutschlands etabliert. Laut aktuellen Umfragen verschiedener Institute würde die AfD bei einer Bundestagswahl zurzeit rund zehn Prozent erreichen. Hochrechnungen für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt liegen sogar bei über 15 Prozent. Doch die AfD kämpft nicht nur um Stimmen, sondern auch gegen eine Verankerung im rechten Milieu. Am Mittwochabend wurde nun gegenüber der AfD die kritische Frage gestellt: „Geht‘s hier mit rechten Dingen zu?“

Rund 50 Interessierte waren der Einladung des Studierendenvereins der Hochschule Stendal und des Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit im Landkreis Stendal gefolgt. Sie erwartete zum einen ein Vortrag von Andreas Kemper – Soziologe und Publizist aus Münster – der die bundesweite Arbeitsweise der AfD beleuchtete. Zum anderen betrachtete Martin Burgdorf (Miteinander e.V.) die Aktivitäten der Partei in der Region. Es war die letzte Veranstaltung in der Reihe „Geht‘s hier mit rechten Dingen zu?“, die sich im Vorfeld der Landtagswahl mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Deutschland und in der Altmark auseinandersetzte.

„Nach dem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin im Jahr 2010 dachten viele: Jetzt gründet sich eine Sarrazin-Partei“, sagt Andreas Kemper am Anfang seines Vortrags zur Entstehung der AfD. Bei seinen damaligen Nachforschugen stieß er zunächst auf ein Netzwerk, aus welchem sich später die Wahlalternative 2013 entwickelte – „ein Vorläufer der AfD“, so Kemper. Er habe daher schon über die Partei geforscht, bevor es sie überhaupt gegeben habe.

Laut Kemper war es vor allem die Weltwirtschaftskrise, die schlussendlich zur Gründung der AfD im Jahr 2013 geführt habe. Seither hat sich die junge Partei rasant entwickelt: Bei der Europawahl im Mai 2014 erreichte sie sieben Prozent, stellt somit auch sieben Abgeordnete im Europaparlament. Zudem ist sie in vier deutschen Landesparlamenten vertreten.

„Die AfD besteht vorrangig aus drei politischen Strömungen“, berichtet Kemper weiter. Er unterscheidet zwischen Interessen klerikal-aristokratischer Netzwerke, neoliberalen Strömungen sowie dem Kleinbürgertum. Als eines seiner Beispiele für die aristokratischen Interessen dient Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzende der AfD und geborene Herzogin von Oldenburg. „Es ist ein Kampf für den Adel“, sagt Kemper und weist dabei insbesondere auf von Storchs Verein Zivile Koalition hin.

Außerdem stellte der Soziologe Ergebnisse seiner Arbeit vor, in welcher er der Frage nachgeht, ob die Positionen Björn Höckes – AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag – als konservativ oder faschistisch bezeichnet werden sollten. Kempers Fazit: Höckes Positionen sind faschistisch. So stellt Kemper unter anderem dar, dass Höcke eine neue Nation anstrebe: „Er spricht sich zwar für Demokratie aus, aber es kommt darauf an, was man darunter versteht“, sagt Kemper.

Danach ergriff Martin Burgdorf (Miteinander e.V.) das Wort und zeigte anhand von Fotos, Screenshots und Zeitungsmeldungen, wie die AfD in der Region bisher in Erscheinung getreten ist. So wies er beispielsweise auf einen Vorfall im Januar 2015 hin, als alte AfD-Plakate als Unterlage für Propaganda der Rechten verwendet wurden. „Da kam unter dem Braun das Blau zum Vorschein“, so Burgdorf.

In der anschließenden Diskussion mit den Zuhörern stellte Burgdorf zudem noch einmal fest, dass sich die AfD nicht klar von Nationalsozialisten distanziere: „Bei Demonstrationen marschiert man Schulter an Schulter“, so Burgdorf.

Beide Referenten sind sich sicher, dass die Partei keine Übergangserscheinung ist. „Die AfD hat sich durch die Flüchtlingsdebatte stabilisiert. Generell formieren sich Europas Rechte gerade auf einem sehr hohen Niveau“, bilanziert Kemper. „In Ungarn und Polen sitzen die Rechten schon in der Regierung.“ Andreas Kemper ist sich deshalb sicher: „Die AfD kann nur durch einen Wandel in der Flüchtlingspolitik oder innere Streitigkeiten geschwächt werden.“