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Puławy Partnerstadt kündigt Freundschaft auf

Nach Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Puławy: Holländer gehen drastischere Wege als Stendal.

Von Donald Lyko 22.07.2020, 03:00

Stendal l Nachdem die französische Stadt Douai schon im Fe­bruar dieses Jahres ihre Partnerschaft mit Puławy ausgesetzt hatte, ist jetzt das niederländische Nieuwegein gefolgt. Damit hat die Kommune in der Nähe von Utrecht, die sich selbst als „Regenbogen-Stadt“ sieht – der Regenbogen steht für die LGBT-Bewegung, für homo-, bi- und transsexuelle Menschen –, auf eine Stellungnahme des Puławyer Stadtparlaments im Mai 2019 reagiert.

Deren Mitglieder hatten sich damit „zur Verhinderung der von der Subkultur LGBT lancierten Ideologie in der Stadt Puławy“ positioniert, wie zuvor viele andere polnische Städte auch. Inhaltlich geht es darum, dass homo-, bi- und transsexuelle Lebensmodelle keine Rolle in Lehrplänen von Schulen und in Kindereinrichtungen spielen sollen, um das traditionelle Familienbild zu stärken und die kulturellen Werte des katholisch-konservativen Polens zu schützen. Aktivisten der polnischen Schwulen- und Lesbenbewegung hatten daraufhin mit Aktionen auf die Diskriminierung hingewiesen, hatten europaweit die Partnerstädte angeschrieben mit der Information, die polnischen Städte hätten „LGBT-freie Zonen“ ausgerufen.

Genau darauf hat der Gemeinderat der 60.000-Einwohner-Stadt Nieuwegein reagiert und beschlossen, die Kontakte und freundschaftlichen Beziehungen zum polnischen Partner vorerst zu beenden, berichten niederländische Medien, auch der „Spiegel“ hat das Thema aufgegriffen. Im März hatten die Niederländer einen Brief nach Puławy geschickt mit der Bitte um ein klärendes Gespräch. Darauf sollen die Polen aber nicht reagiert haben.

Die Hansestadt Stendal ist keinen so drastischen Weg gegangen, obwohl es in der seit März laufenden Debatte auch die Forderung nach Abbruch der Kontakte, zumindest der offiziellen auf Verwaltungsebene, mehrfach gegeben hatte. Während seiner Sitzung vor gut zwei Wochen hat sich der Stadtrat aber anders entschieden: Die Kontakte bleiben bestehen, der Stadtratsvorstand schreibt aber noch einmal an Puławy, um die Stendaler Position deutlich zu machen. Dieser Weg hatte eine Mehrheit gefunden, nachdem die Fraktion SPD/FDP/Ortsteile ihren Antrag in einigen Punkten geändert hatte. Unter anderem war der umstrittene Passus, dass der Puławyer Stadtrat eine „LGBT-freie Zone“ ausgerufen habe, gestrichen worden.

Mittlerweile beschäftigt das Thema die Justiz in Polen. Zwei Gerichte haben die Beschlüsse zweier Gemeinden für ungültig erklärt. Geklagt hatte der polnische Sprecher für Bürgerrechte, Adam Bodnar. Die Verwaltungsgerichte der Wojewodschaften (Bezirke) Oberschlesien und Masowien sind in ähnlich lautenden Urteilen zu dem Schluss gekommen, dass die Stadtparlamente mit diesen Stellungnahmen ihre Kompetenzen überschritten und gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen haben, das in der polnischen Verfassung verankert ist. Nach Ansicht der Gerichte sei zudem der Begriff „LGBT-Ideologie“ eine „unscharfe“ Formulierung und umstritten, solche Beschlüsse könnten diskriminierend wirken.

Gut 100 Kommunen, Kreise und Bezirke, fast alle im konservativ geprägten Südosten Polens, hatten besagte Stellungnahme gegen die „LGBT-Ideologie“ und für die Familienrechte abgegeben, nach dem zuvor in Warschau eine „LGBT-Charta“ verabschiedet worden war, um die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen in Polen zu schützen.