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Religion Fasten ist mehr als nur Diät

Am Mittwoch beginnt die Fastenzeit. Für den Stendaler Pfarrer Thomas Krüger steckt noch mehr dahinter als eine 7-Wochen-Diät.

Von Nora Knappe 03.03.2019, 01:00

Stendal l Fasten – da denkt man für gewöhnlich sofort an den Verzicht auf Essen und Genuss. Von heute auf morgen dieses oder jenes weglassen und am Ende, wenn man durchgehalten hat, stolz den Erfolg verkünden. Und dann so weitermachen wie zuvor - das hat man sich schließlich verdient. Scherzeshalber sagt also Pfarrer Thomas Krüger zu Gesprächsbeginn, er wolle auf Sellerie verzichten. So wie das ganze restliche Jahr über...

Fasten kann aber noch viel mehr sein. Eine Form der Besinnung, des Innehaltens, Sich-bewusst-Werdens. So jedenfalls sieht es Krüger, Pfarrer in St. Jacobi in Stendal. „Es kann viel mehr in dieser Zeit passieren, wenn man den Begriff nicht so auf Essen und Diät verengt“, sinniert er und erklärt seine Auffassung näher: „Fasten ist nach meinem Verständnis weniger ein reines Weglassen, sondern das Konzentrieren auf etwas anderes. Sich durch Weglassen für etwas anderes freimachen, sich sammeln und diese Zeit besonders wertzuschätzen.“

Aber wie das gelingen kann, darüber ist er sich selbst nicht unbedingt im Klaren. „Vor Jahren habe ich mal Fasten gefastet, denn das Ganze war mir einfach zu viel Druck.“ Ein interessanter Perspektivwechsel. Der noch nachzuwirken scheint, denn nicht von ungefähr ist sich Krüger für die bevorstehenden sieben Wochen ab Aschermittwoch sicher: „Ich muss dieses Jahr Stress fasten. Weil ich merke, dass es an mir zehrt.“ Wobei auch dieses Vorhaben wiederum einen gewissen Druck ausübt – wird es gelingen, schafft man es, sich nicht stressen zu lassen? Was für ein Stress!

Krüger sieht es gelassen, er betrachtet jedes Fasten als „einen Versuch“, es gehe nicht ums Abhaken und die Erfolgsmeldung am Ende. „Fasten soll ja freimachen für etwas, aber wenn man dann so gefangen ist, dass sich alles nur ums Fasten dreht, vergibt man sich doch diese Freiheit.“

Im besten Falle gewinnt man dadurch für sich eine Erkenntnis und findet vielleicht einen Weg, wie man ein Weniger oder ein Bewusster für sich verstetigen kann. Der Wunsch des Pfarrers wäre es, endlich mal wieder einen freien Tag pro Woche durchzusetzen. Die personelle Mangelsituation in der Kirche, die zum Normalfall zu werden droht, findet er bedenklich.

Absurderweise bedeute ausgerechnet die Passionszeit für einen Pfarrer viel mehr Arbeit als zum Beispiel Weihnachten. „Da dreht sich alles um die Geburt, aber die Gottesdienste um Ostern herum sind so verschieden, vom Abendmahl über die Kreuzigung bis zur Auferstehung. Da steckt viel Aufwand in der Vorbereitung drin, nicht nur quantitativ, vor allem qualitativ.“ Und das in einer Zeit, da man sich doch besinnen und zurücknehmen will. „Da ist es doch eigentlich eine blöde Idee, Stress zu fasten, oder?“ Selbstironie und Galgenhumor – auch Mittel, um Abstand zu gewinnen.

Wie auch immer sich das Fasten für Pfarrer Krüger gestalten wird: die Passionszeit, die Wochen vor dem Osterfest, der Auferstehung Christi, bedeuten ihm viel. „Es ist wie die Adventszeit die Vorbereitung auf ein Hohes Fest. Das Leben mit den kirchlichen Feiertagen ist bei mir ja berufsbedingt, aber es ist auch eine sehr persönliche Zeit.“

Die Sache mit dem Essensverzicht ist ihm dabei nun mal nicht so wichtig. Da ist Thomas Krüger ehrlich und nimmt in Kauf, das Bild vom vorbildhaften und besonders frommen Pfarrer zu lädieren: „Ich esse, was mir schmeckt und worauf ich Appetit habe. Nur in der Karwoche verzichte ich auf Alkohol.“ Da fällt ihm eine Äußerung Paulus‘ ein: „Es macht nicht das schmutzig, was zum Mund reingeht, sondern das, was rauskommt.“

Mit vielsagendem Lächeln nimmt Krüger damit Bezug auf das diesjährige Motto der evangelischen Kirche: „Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen“. Das findet er zu sehr dem Zeitgeist angepasst, der sich ohne Nachdenken und Hinter-die-Worte-Schauen über alles mögliche erregt und sofort-empört und wo schnell mal das Wort Lüge fällt. Das Motto spiele für ihn keine besondere Rolle. „Ich versuche eh, die Dinge so zu sagen und zu benennen, wie ich denke, dass sie sind. Auf den Punkt eben. Und dass wir andere belügen, um sie nicht zu verletzen oder weil wir wissen, die Wahrheit würde nichts ändern, das ist doch menschlich, oder?“