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Schwarzfahrerin Aus der Waschstraße ins Gefängnis

Weil sie immer wieder schwarz fuhr und Strafen ignorierte, sitzt eine Stendalerin nun im Gefängnis.

Von Wolfgang Biermann 30.10.2020, 05:00

Stendal l Was tun mit einer notorischen Schwarzfahrerin, die immer wieder ohne Fahrerlaubnis am Steuer eines Autos erwischt wird – und die offenbar auch keine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe abschreckt?

Vor dieser Frage steht derzeit das Amtsgericht. Dazu kommt eine weitere Anklage wegen falscher Verdächtigung. Mehrfach schon ist die nach eigenen Angaben fast Analphabetin aus Stendal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Vorjahren verurteilt worden – zuerst zu Geldstrafen, dann zu Bewährungsstrafen und schließlich 2019 zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung. Haftantritt sollte am 12. Januar dieses Jahres sein. Doch dem entzog sie sich.

Per Haftbefehl wurde nach der 50-Jährigen gefahndet. Zufällig sah sie ein Polizist in Zivil am Nachmittag des 30. Januar auf dem Gelände einer Tankstelle in Osterburg. Er beobachtete, wie sie einen Pkw in die Waschstraße fuhr und wartete am Ausgang auf sie. Wartend habe er sich noch einmal rückversichert, dass die ihm aus seiner Tätigkeit gut bekannte Delinquentin noch immer gesucht wurde, sagte der 31-jährige Polizeibeamte aus. Quasi von der Wasch- straße weg sei sie dann ins Gefängnis gekommen. Zuvor habe sie ihm gegenüber mehrfach eingeräumt, mit dem Auto in die Waschanlage gefahren zu sein.

Im Prozess bestreitet die jüngst vorfristig und auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassene 50-Jährige sowohl ein seinerzeitiges Geständnis als auch die Fahrt in die Waschstraße selbst. Sie will den Pkw, der ihr gehört, obwohl sie keine Fahrerlaubnis besitzt, in die Anlage geschoben haben. Zu der Tankstelle in Osterburg hätte sie ein Bekannter gefahren, der sie auch dort wieder hätte abholen wollen. Ungläubige Gesichter bei Staatsanwältin und Richter. Davon war sie aber nicht abzubringen.

Die Staatsanwältin möchte die Angeklagte fachärztlich untersuchen lassen. Vorgeblich soll sie neben geistigen Defiziten an plötzlich auftretenden Anfällen leiden und zudem zu 100 Prozent behindert sein. Gegen eine psychiatrische Begutachtung sprachen sich aber sowohl der Verteidiger als auch das Gericht aus.

Angesichts des im unteren Kriminalitätsbereich angesiedelten Fahrens ohne Fahrerlaubnis stünde der Aufwand nicht zum Nutzen. Man würde „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, so der Verteidiger. Aber da ist noch der zweite Anklagevorwurf: falsche Verdächtigung.

Die Angeklagte hat nämlich anlässlich ihrer Festnahme Strafanzeige wegen Diebstahl erstattet. Angeblich sei ihr ein Pferdeanhänger gestohlen worden. Laut Anklage hat sie diesen aber schon im Vorjahr verkauft – an einen in Stendal lebenden, ebenfalls gerichtsbekannten Russen. Dieser soll nun beim Fortsetzungstermin gehört werden.