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Spargelernte Bauer spricht von "mittlerer Katastrophe"

Für Spargelbauern im Kreis Stendal wird es durch den Einreisestopp für ausländische Erntehelfer eng. Eine politische Lösung wird gefordert.

Von Birgit Schulze 30.03.2020, 01:01

Schelldorf l „Wir sind völlig überfahren von der Entscheidung des Einreisestopps für alle Erntehelfer“, sagte Arne Garlipp von „Garlipp-Spargel“ aus Schelldorf (Landkreis Stendal) jetzt der Volksstimme. Noch in der Vorwoche hatte der junge Mann, der vor einigen Jahren in den Familienbetrieb seiner Eltern mit eingestiegen ist, alle Hände voll zu tun: Arbeitsverträge und –bescheinigungen mussten ausgestellt, organisatorische Gespräche mit Verbänden und anderen Institutionen geführt werden.

Denn schon da zeichnete sich ein Problem mit dem Einreisen der dringend benötigten rumänischen Erntehelfer ab. Dass die dennoch kommen würden, darauf hoffte die ganze Familie im kleinen Schelldorf bis zuletzt.

Was nun passiert ist, macht sie fassungslos. „So kann die Ernte nicht eingebracht werden“, sagt Arne Garlipp. „Vor zwei Tagen wurden wir noch als systemrelevant eingestuft“. Der Familienbetrieb, der seit mehr als 20 Jahren ausschließlich auf das weiße Gold der Altmark spezialisiert ist, braucht mindestens 80 Erntehelfer, die auf den Feldern, beim Verarbeiten und Verpacken des Spargels zum Einsatz kommen. Die hatten sich in den vergangenen Wochen noch zurückgehalten, zum Teil auch aus Angst, sich in Deutschland mit dem Coronavirus anstecken zu können. Über die sozialen Netzwerke hatten Garlipps auf Rumänisch Appelle gestartet, versichert, dass das kleine Schelldorf abgelegen sei und man die Hygienevorschriften einhalte. Die Helfer sind nicht gekommen, jetzt gibt es auch keinen Weg mehr für sie. Und das wenige Tage vor Beginn der Spargelernte.

Die ersten weißen Köpfchen unter der Verfrühungsfolie recken sich bereits aus dem Boden, das große Wachsen dürfte bald beginnen. Für den ganz frühen Spargel sieht Arne Garlipp fast schon alle Messen gesungen. „Der steht jetzt definitiv auf dem Spiel“.

Denn auch Ideen, wie deutsche Helfer auf die Felder zu schicken, würden nicht unbedingt weiterhelfen. Man bräuchte mindestens doppelt so viele, weil viele die schwere Arbeit gar nicht mehr gewohnt seien, außerdem würde durch das Heranschaffen von Studenten oder anderen Freigestellten aus der ganzen Region das Infektionsrisiko und damit für eine Quarantäne im ganzen Betrieb steigen. Wenn bei Garlipp Spargel die Erntezeit beginnt, dann laufen große Maschinerien an – von den Unterkünften über Fahrzeuge, Verkaufsbuden und vieles mehr. Von diesen hochintensiven Wochen muss der Betrieb dann ein Jahr lang leben können.

„Wir brauchen ganz schnell eine politische Lösung – zumindest für den späten Spargel ab Mai“. Arne Garlipp verweist auch auf ein weiteres Problem, das mit dem Einreisestopp bevorsteht: „Die Helfer fehlen nicht nur bei der Spargelernte, sondern auch beim Pflanzen anderer Obst- und Gemüsearten. Was nicht gepflanzt wird, kann in dieser Saison auch nicht geerntet werden. Deutschland wird dann in diesem Jahr nur im kleinen Stil produzieren können. Das halte ich für den falschen Schritt.“

Man sei derzeit dabei, viel herumzutelefonieren, die richtige Lösung habe aber auch die Familie Garlipp noch nicht gefunden. Mit seinen 65 Hektar (davon etwa ein Drittel Nachpflanzungen, die noch nicht geerntet werden), ist Garlipp-Spargel einer der größeren Betriebe in der Region. Kleinere, wie der Spargelhof Kalkofen oder auch Spargelhof Ruhnke in Cobbel versuchen derzeit andere Wege zu gehen.

Carmen Kalkofen, die in ihrem Betrieb nicht nur auf Spargel setzt, etwa hat für ihre Spargelbeete ein „Mietangebot“ über ihre Internetseite gestartet. Wer sich einen Meter oder eine Reihe mietet, kann dort selber ernten, Einweisung inklusive.

Der Spargelhof Ruhnke hat hingegen Unterstützung durch den Sportverein „VfB Elbe Uetz“ bekommen, den er seit Jahren unterstützt. Die Fußballer haben bereits einen ersten Arbeitseinsatz am Wochenende auf den Spargelfeldern gestartet, wie sie stolz über das soziale Netzwerk Facebook berichten. Die Sorgen aber sind derzeit bei allen altmärkischen Spargelbauern groß.

„Was hier passiert, ist eine mittlere Katastrophe und es wird für uns ein langes, schweres Jahr werden“, man müsse nun entscheiden, was der richtige Weg ist, fasst Arne Garlipp zusammen.