1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Wo die Straßennamen in Tangermünde herkommen

Stadtgeschichte Wo die Straßennamen in Tangermünde herkommen

Was verbirgt sich hinter welchem Straßennamen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die jungen Stadtführer Tangermündes.

Von Anke Hoffmeister 06.07.2020, 09:00

Tangermünde l Warum heißt die Hünerdorfer Straße genau so? Was war das Hünerdorf? Wer war Ulrichs oder Grete Minde? Auch gibt es in Tangermünde eine Meyerstraße? Wer also war Meyer? Fragen über die Fragen könnten entstehen, wenn ein Ortsfremder die Straßen der Kaiser- und Hansestadt erkundet und sich dabei die Namen anschaut. Um Antworten auf zumindest einige dieser Fragen zu erhalten, hat die Altmärkische Bürgerstiftung Stendal vor wenigen Jahren damit begonnen, Legendenschilder unter die Schilder der Straßennamen zu hängen. Es dauerte nicht lange, und die Idee machte auch in Tangermünde Schule. Zumal Ramona Burmester, Mitglied dieser Stiftung, in Tangermünde lebt und hier als Lehrerin am Diesterweg-Gymnasium arbeitet.

Mittlerweile haben das Hünerdorf und die Grete-Minde-Straße, die Ulrichsstraße, Meyerstraße und Fritz-Schulenburg-Straße derartige Ergänzungsschilder bekommen. Im Stadtarchiv und mit Unterstützung von Sigrid Brückner, Leiterin der Museen der Stadt, hatten sich die Mädchen und Jungen auf Entdeckungsreise begeben. Die Schilder bieten Platz, um auf wenig Raum so kompakt wie möglich Informationen zum Straßennamen abzubilden. Finanziert wird die Herstellung dieser Legendenschilder stets von Sponsoren – von Menschen oder Vereinen, die eine solche Ergänzung zum Straßennamen unterstützen möchten.

„Die jungen Stadtführer arbeiten weiterhin intensiv an der Beschilderung unserer Stadt“, berichtete Ramona Burmester. Um die Ideen finanzieren zu können, so ihre Aussage, seien aber auch viele finanzielle Zuwendungen nötig. „Aus diesem Grund wurden auch für dieses Jahr wieder zahlreiche Förderanträge gestellt, die wegen der Corona-Krise allerdings teilweise umformuliert werden mussten“, sagte sie weiter. Andere Anträge seien aus diesem Grund bisher nicht bearbeitet worden. Trotzdem arbeite die Gruppe unentwegt an der Erstellung der Texte, damit die Schilder sofort bestellt werden können, sobald das beantragte Geld eingeht.

Im Rahmen des Projektes bei „denkmal aktiv“ sei es den jungen Stadtführern bereits gelungen, den zur Zeit der Industrialisierung entstandenen Stadtteil mit Legendenschildern auszustatten. Die vielen Legendenschilder im Dichterviertel wurden inzwischen vollständig erarbeitet. „Leider reichen die Finanzen bisher nur für jeweils ein Legendenschild pro Straße, sodass das hintere Dichterviertel bei den Kolonien noch nicht mit Schildern ausgestattet ist“, berichtete Ramona Burmester. Aber die ganz neu angelegte Heinrich-von-Kleist-Straße habe bereits ein Legendenschild.

Im nächsten Schritt werden sich die Tangermünder Mädchen und Jungen mit dem als ursprünglich „Preußisches“ genannten Viertel und den dazu gehörigen Legendenschildern beschäftigen. Das sind Straßen, deren Namen mit den Preußen beziehungsweise Hohenzollern in Verbindung stehen: Luisenstraße, Augustastraße, Karlstraße...

Sogar während der Zeit der Kontaktsperren hatten sich die jungen Stadtführer mit dem Projekt beschäftigt. Via Whats App erhielten sie die dazu erforderlichen Texte und konnten damit arbeiten. Auch die Ausstattung der Innenstadt mit Legendenschildern steht aktuell auf dem Plan. Michael Classe vom Ordnungsamt der Stadt unterstützt das Projekt sehr und fand bisher immer einen Weg, um die Schilder platzieren zu dürfen. „Die jungen Stadtführer sind sehr dankbar dafür“, betont Ramona Burmester.

Seit wenigen Wochen dürfen sich die jungen Stadtführer wieder treffen und nutzten die vergangenen drei Freitagnachmittage zur Erstellung zahlreicher Texte für Legendenschilder in der Innenstadt. Sigrid Brückner unterstützt sie bei der richtigen Formulierung und liest außerdem alle Texte Korrektur.

Die ältesten Straßen von Tangermünde und auch die Größe des mittelalterlichen Tangermündes standen dabei im Mittelpunkt. Die letzten Häuser der Hünerdorfer Straße von der Fritz-Schulenburg-Straße an gab es damals nicht. Erst nach zwei Kilometern kam das kleine Fischerdorf Karlbau. Alle Häuser und Straßen dazwischen gab es damals noch nicht. Dasselbe gilt für die Häuser und Straßen vom alten Friedhof in Richtung Bahnhof und Stendaler Straße sowie darüber hinaus. Die äußersten Häuser der Neustadt, das Wohngebiet an der Lüderitzer Straße, „Kleinasien“ und das Wohngebiet „Lorenzsches Feld“ entstanden erst sehr viel später. Auch das Komponistenviertel und die zahlreichen Eigenheimsiedlungen standen im Mittelalter noch nicht.

Die Burg mit der Schloßfreiheit ist der älteste Teil Tangermündes. Sie wurde erstmals im Jahre 1009 von Thietmar von Merseburg schriftlich erwähnt. Deshalb feierten die Tangermünder im Jahre 2009 die 1000 Jahre. Das Hünerdorf war der Vorort der Burg und ist fast so alt wie die Burg. Die Größe der Altstadt ist noch heute gut an der sie umgebenden Stadtmauer erkennbar. Die Altstadt hatte sich Ende des 12. Jahrhunderts aus einer Kaufmannssiedlung entwickelt.

Die Neustadt entstand, als es in der Stadt immer enger wurde. 1438 wurde das Dominikaner-Kloster (Klosterberg)gegründet. Bei Straßenbauarbeiten auf dem Neustädter Platz und in der Stendaler Straße fanden Archäologen 2019 Belege dafür, dass die Neustadt älter als bisher angenommen sein könnte.

Die beiden ältesten Straßen der Altstadt sind die Lange Straße und die Lange Fischerstraße. Es sind alte Heer- und Handelsstraßen, die bereits vor der Entstehung der Stadt bestanden. Das erklärt auch, dass die Lange Fischerstraße sich direkt in die Magdeburger Straße fortsetzen würde, wäre nicht die Stadtmauer dazwischen errichtet worden.

Archäologische Grabungen während der Straßenbauarbeiten in der Kirchstraße vor wenigen Jahren ließen erkennen, dass diese Straße wesentlich später zwischen die Lange Straße und Lange Fischerstraße eingefügt wurde.

Es ist nur wenig darüber bekannt, wie unsere Stadt vor dem Grete-Minde-Brand von 1617 ausgesehen hat. Im Jahre 1612 verfasste ein Tangermünder Prediger ein Gedicht, in dem er davon schwärmte, wie schön seine Stadt sei. Aus diesem Gedicht erfahren wir auch, dass Tangermünde eng bebaut war. Nirgends gab es einen freien Bauplatz. Viele Häuser waren groß und geräumig. Sie standen eng aneinander. Besonders prunkvolle Häuser gab es vermutlich nicht. Viele Häuser standen mit der Giebelseite zur Straße. Später wurden die Häuser mit der Traufseite (Dachrinne) in Richtung Straße errichtet. Einige Häuser wurden zu Verteidigungszwecken bewusst so gebaut, dass sie in die Straße hinein ragten.

In einem sehr alten Buch aus dem Jahre 1574, in dem die damaligen Grundstücke von Tangermünde vermerkt wurden, sind folgende Straßen aufgeführt: Lange Straße, Kirchstraße, Scheunenstraße, Neue Straße, Langer Hals, Lange Fischerstraße und die Straße „An der Mauer“. Zusammen mit der Neustadt und dem Hünerdorf hatte Tangermünde damals 619 Häuser. Dazu kamen die Burg und neun Häuser in der Schloßfreiheit. Außerdem standen in der Stadt Kirchen und andere kirchliche Gebäude wie Pfarrhäuser und Hospitäler. Es gab sogar mehrere Ritterhöfe und 13 Windmühlen.

Tangermünde verfügte über eine große Anzahl von Brauhäusern. Bier war damals ein wichtiges Nahrungsmittel. Es war gesünder als Wasser, das oft krankmachende Keime enthielt. Der Alkohol im Bier tötete diese ab. Für die Lange Straße wurden 93 Häuser verzeichnet, davon 38 Brauhäuser. Von den 91 Häusern in der Kirchstraße waren 28 Brauhäuser.

In der Scheunenstraße befanden sich früher die Scheunen. 52 Scheunen vernichtete der Brand 1617. Beim Wiederaufbau der Stadt entstanden einige von ihnen außerhalb der Stadtmauer in der Nähe des Schützengrabens (heute Scheunenhof). Seit 1718 werden keine Scheunen mehr innerhalb der Stadtmauer geduldet. Die Brandgefahr ist zu hoch.

Die Neue Straße wurde bereits im Jahre 1476 erwähnt. Wie der Name sagt, handelt es sich um eine neu angelegte Straße. Geschichtsforscher nehmen an, dass zuvor sämtliche Grundstücke der Langen Straße bis zur Mauerstraße reichten. Die Lange Fischerstraße reicht von der Roßfurt bis zur Stadtmauer am Neustädter Tor. Dort gab es früher 75 bebaute Grundstücke. Mitglieder der Fischergilde lebten hier. In ihr lag auch der Ritterhof des Ritters Kerkow.