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Stadtrat Stendal Abstimmen statt anstimmen

Unter ungewöhnlichen Bedingungen tagte der Stendaler Stadtrat wegen des Coronavirus.Inhaltlich hatte die Sitzung trotzdem viel zu bieten.

Von Donald Lyko 13.05.2020, 11:00

Stendal l Wo sonst Kabarettisten, Instrumentalisten und Chöre für Unterhaltung sorgen und so manches Lied anstimmen, gestalteten am Montag die Damen und Herren Stadträte das abendfüllende Programm – mit einem dreistündigen öffentlichen Sitzungsteil sogar in Länge eines Konzertabends inklusive Zugabe. Und wie es bei Kulturveranstaltungen fast zum guten Ton gehört, ging es mit leichter Verspätung los. Denn alle Teilnehmer mussten sich in Listen eintragen. Weil für interessierte Bürger nicht ausreichend Stühle zur Verfügung standen, mussten einige von ihnen vor der Tür bleiben. Sie konnten die Sitzung über Bildschirm und Lautsprecher verfolgen, konnten aber zur Einwohnerfragestunde in den Saal kommen.

In dem stand die normale Publikumsbestuhlung. In den Vierer-Reihen durften die Stadträte jeweils nur die Außenplätze belegen, die beiden Stühle dazwischen blieben frei – ebenso immer eine Reihe davor und dahinter. So fanden 36 der anwesenden Stadträte ihren Platz im eigentlichen Zuschauerbereich, drei weitere saßen auf der Bühne: der Stadtratsvorsitzende Peter Sobotta (Freie Stadträte Stendal) sowie seine Stellvertreterinnen Rita Antusch (SPD) und Christel Güldenpfennig (CDU). Den vierten Tisch bekam Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU).

Auch wenn keine Maskenpflicht bestand, folgten fast alle Ratsmitglieder, Gäste und Verwaltungsmitarbeiter der Empfehlung, den Mundschutz anzulegen. Für Klaus Schmotz gab es eine rosafarbene Maske als Geschenk von den Gohrer Landfrauen, überreicht von Dahlens Ortsbürgermeisterin und Stadträtin Christel Güldenpfennig. Sie nutzte die Öffentlichkeit der Sitzung, um sich bei den Landfrauen dafür zu bedanken, dass sie schon Hunderte Masken genäht haben, unter anderem für das Stendaler Krankenhaus.

Fast alle trugen über Stunden ihren Mund-Nase-Schutz, denn der Stadtrat hatte mit 37 Tagesordnungspunkten allein im öffentlichen Teil ein ordentliches Pensum vor sich. Das ließ gleich zu Sitzungsbeginn den Linke/Grüne-Fraktionsvorsitzenden Joachim Röxe zum Mikrofon gehen, um sein „Unverständnis über die überlange Tagesordnung zum Ausdruck zu bringen“. Nicht ein einziger Tagesordnungspunkt sei so wichtig, dass darüber nicht später oder in einem Umlaufverfahren – dabei teilen die Stadträte per E-Mail mit, wie sie abstimmen – hätte entschieden werden können, so Röxe. Stattdessen würden die Teilnehmer der Ratssitzung einer „unnötigen Gefährdung“ ausgesetzt. Röxe: „Das halte ich für ein fatales Signal.“

Für die Sitzung hatten der OB und der Ratsvorsitzende die Stadträte gebeten, Redebeiträge und Diskussionen auf ein Minimum zu reduzieren und darauf zu verzichten, in den Fachausschüssen vorgebrachte Argumente zu wiederholen. Bei vielen Themen gelang dies, bei einigen nicht.

Darum zog Rico Goroncy (Linke) am Ende des öffentlichen Teils sein Fazit: „Ich habe das Gefühl, hier wird nicht konstruktiv diskutiert. Manche nutzen es als Profilierungsplattform.“ Er kritisierte, dass es statt inhaltlicher Debatte oft darum gehe, dass sich einzelne Akteure in der Darstellung überbieten wollen, wer sich zum Beispiel juristisch besser auskennt. Sein Appell an den Ratskollegen: „Gemeinsam für diese Stadt zu arbeiten.“