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Stasi-Untersuchung Konsequenzen bleiben aus

In Stendal und Tangerhütte gab es Hinweise auf Stasi-Mitarbeit von Stadträten. Die Sonderausschüsse zur Bewertung haben sich aufgelöst.

Von Bernd-Volker Brahms 19.07.2018, 01:01

Stendal/Tangerhütte l Auch fast drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall werden immer noch Mitglieder in kommunalen politischen Gremien auf ihre Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) untersucht.

So hatten 2014 sowohl die Stadträte in Stendal als auch in Tangerhütte mehrheitlich beschlossen, dass die bisher noch nicht untersuchten neuen Stadträte auf eine MfS-Tätigkeit überprüft werden sollen. Und die Unterlagenbehörde in Berlin wurde jeweils fündig. In Stendal tauchten Karteikarten zu einem CDU-Stadtrat auf. Das Ratsmitglied bestritt eine Zusammenarbeit und verwies darauf, dass eine Verpflichtungserklärung nicht vorliege. Der Sonderausschuss unter Vorsitz von Reiner Instenberg (SPD) kam am Ende zu dem Schluss, dass nach Aktenlage eine Zusammenarbeit nicht nachgewiesen werden könne. Der Ausschuss löste sich vor zwei Wochen auf.

Spannender war es in Tangerhütte, da hat sich der fünfköpfige Sonderausschuss um den Ratsvorsitzenden Gerhard Borstell (SPD) bereits Ende April aufgelöst, hatte zuvor aber mit drei Fällen zu tun, die es in sich hatten. Die Unterlagenbehörde in Berlin hatte umfangreiches Material zu Tage gefördert. Betroffen waren nach Volksstimme-Informationen je ein Ratsmitglied der CDU, der SPD sowie von einer Wählergemeinschaft. Konsequenzen folgten daraus nicht.

Der Sonderausschuss wollte nicht so weit gehen, eine MfS-Tätigkeit zu bestätigen und die Personen zu veröffentlichen - obwohl in allen drei Fällen nach Volksstimme-Informationen deutliche Hinweise vorlagen. In einem Fall wurde der Ausschuss von einer Entscheidung befreit, da der Stadtrat sein Mandat zuvor bereits niedergelegt hatte. In einem zweiten Fall gab es eine handgeschriebene Verpflichtungserklärung. Dennoch heißt es im Abschlussbericht des Sonderausschusses, dass „nicht von einer inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS ausgegangen werden kann“. Die betroffene Person hat nicht nur ein Stadtratsmandat, sondern auch eine Funktion in der Partei.

Im dritten Fall leistete ein Ratsmitglied seinen Wehrdienst im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“. Dies wird von Experten der Unterlagenbehörde als hauptamtliche Tätigkeit für das MfS gewertet.

Der Tangerhütter Ausschuss zog für die Bewertung in diesem Fall eine Handreichung der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR heran, wonach der Wehrdienst im Stasi-Wachregiment einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht entgegensteht, sofern vorher und nachher keine anderen MfS-Tätigkeiten belegt sind – diese gab es beim Tangerhütter nicht. Auf eine Veröffentlichung und Nennung des Namens verzichtete der Sonderaussschuss entsprechend. Allerdings wurde im Abschlussbericht öffentlich darauf hingewiesen, dass es jemand im Rat gibt, der diesem Wachregiment angehört hatte.

„Man kann zu diesr Bewertung kommen“, sagt Wolfgang Laßleben, der in Magdeburg als Jurist bei der Landesbauftragten für die Stasi-Unterlagen arbeitet und der die Handreichung für den Umgang mit Mitteilungen zu Kommunalvertretern ausgearbeitet hat. Es sei eine Abwägungsentscheidung. Allerdings müsse betrachtet werden, dass es juristisch einen Unterschied mache, ob man jemanden aus einem öffentlichen Dienstverhältnis entfernt also kündigt oder ob eine Empfehlung für den Verzicht auf ein Wahlmandat ausgesprochen werde, so Laßleben. Niemand könne zum Verzicht auf sein Wahlmandat gezwungen werden.

Beim CDU-Kreisverband ist das Tangerhütter Ergebnis des Sonderausschusses zu den drei Ratsmitgliedern bekannt, wie Pressesprecherin Tanja Andrys auf Volksstimme-Anfrage an den Kreisvorsitzenden Chris Schulenburg mitteilt. Parteiintern seien – aufgrund der Entscheidung des Sonderausschusses – keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Im CDU-Ortsverband Tangerhütte und in der Stadtratsfraktion habe man sich transparent mit dem Sachverhalt befasst, teilt Andrys mit.

Die SPD-Kreisvorsitzende Juliane Kleemannn beteuert, keine Namen zu kennen. Die Vorgänge seien ja nicht-öffentlich besprochen worden. „Ob und wenn ja, in welcher Weise Konsequenzen zu ziehen sind, müsste der SPD-Ortsverein Tangerhütte und innerhalb der Stadtratsfraktion besprochen werden“, sagt sie. Jeder einzelne Fall sei „eine schmerzliche Erinnerung an den Überwachungsstaat“. Entscheidend für sie sei, und davon mache sie auch das verantwortliche Mitwirken in der SPD abhängig, der persönliche Umgang mit dem Teil der Biografie. „Menschliches Leben geht oft nicht ohne Brüche“, sagt sie.

Dass es auch weiterhin Untersuchungen zur MfS-Tätigkeit bei lokalen Mandatsträgern geben sollte, empfiehlt die Unterlagen-Behörde in Magdeburg. „Man kann eine unklare Atmosphäre auflösen“, sagt Laßleben. Oft gebe es jahrelang Gerüchte. „Mit einer Untersuchung kommt Klarheit und es schafft Vertrauen.“