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Straßenreinigung Eigentümer fühlt sich abgezockt

Die Straßenreinigungsgebühr hat sich für einen Stendaler verdoppelt. Die Stadt kassiert nun auch für sogenannte Teilhinterliegergrundstücke.

Von Regina Urbat 27.10.2019, 01:01

Stendal l Das Grundstück von Horst Klingemann hat sich frontseitig zur Straße auf wundersame Weise vergrößert, von 8 auf 16 Meter. Das wurde unserem Volksstimme-Leser in dem diesjährigen Gebührenbescheid der Stadt Stendal für die Straßenreinigung mitgeteilt.

Der 79-Jährige wunderte sich nicht nur, er erhob prompt Widerspruch, zumal es seit 130 Jahren keinerlei Baumaßnahmen gegeben habe, durch die sich sein Anwesen hätte verbreitern können. Das ginge auch nicht, weil es sich um ein Reihenhaus in der Gardelegener Straße handelt. Als ihm auf seinen Widerspruch die Stadtverwaltung die Begründung lieferte, habe sich der Stendaler veranlasst gefühlt, sich an die Volksstimme zu wenden.

Für die plötzliche Verdopplung seiner zu reinigenden Grundstücksmeter ist die neue Straßenreinigungsgebührensatzung vom 19. Oktober 2018 verantwortlich. Demzufolge hat Horst Klingemann ein sogenanntes Teilhinterliegergrundstück, für das nun auch Reinigungsgebühren kassiert werden. „Aus Gründen der Gleichbehandlung“, wie die Stadtverwaltung auf Volksstimme-Nachfrage mitteilt. So würden nicht nur diejenigen, deren Grundstück direkt an die Straße grenzt, von der Straßenreinigung profitieren, sondern auch die hinterliegenden Grundstücke würden diese Vorteile spüren.

Horst Klingemann schüttelt den Kopf und sagt: „Wer soll hier was spüren, meine Pflanzen im Garten hinterm Haus etwa?“ Verständnis hätte er für die Gebührenverdopplung gehabt, wenn dort noch ein Wohnhaus stehen würde. Doch das sei eben nicht der Fall. Die Grundstücke der Häuserzeile in der Gardelegener Straße grenzen an benachbarte Gärten und sind zum größten Teil alle nicht befahrbar. Die Flächen hinter den Reihenhäusern würden überwiegend als Terrassen und als Gärten genutzt.

Dass sich sein Grundstück Nummer 8 im Gartenbereich verbreiterte, habe geschichtliche Ursachen. „Je nach dem wie die Leute früher Geld hatten, haben sie sich Flächen hinzu gekauft.“ Als das Ehepaar Horst und Monika Klingemann 1978 das Haus erwarb, gab es diesen verwinkelten Grundstückszuschnitt schon längst. Niemand habe sich daran gestört.

Nun aber wird sein hinterster Gartenteil in die Reinigungsrechnung aufgenommen, sagt Klingemann. Der Begriff Garten taucht in der Satzung nicht auf. Er wird in der Amtssprache mit Frontmeter der hinterliegenden Grundstücke beschrieben.

Laut der neuen Satzung wird bei der Gebührenberechnung für den Gartenteil mit einem fiktiven Frontmetermaßstab gearbeitet. „Dieser entspricht den Frontmetern der Teillänge, die durch die rechtwinklige Projektion der zu reinigenden Straße auf dieser Straße am meisten zugewandten Grundstücksseite entstehen“, zitiert der Hauseigentümer aus dem Amtsschreiben, mit dem ihm begründet werde, dass durch diese Projektion einschließlich des direkt an der Straße zu reinigen Teils eine Länge von 16 anstelle von 8 Metern berechnet wird.

„Welch ein Irrsinn“, hadert Klingemann und möchte gern wissen, „wer derartigen Blödsinn in die Satzungen schreibt“. Solch „virtuelle Projektionsflächen“ seien „lächerlich und Luftnummern“. Sie werden nicht gereinigt, aber berechnet. So kassiere die Stadt bei ihm doppelt, denn sein Nachbar müsse ja auch die 8 Meter bezahlen, die ihm noch obendrauf gehauen werden. „Das ist die pure Abzocke durch die Stadt ohne Gegenleistung.“

„Der Erfindungsreichtum zur Regenerierung zusätzlicher Einnahmen durch die Stadt ist allerdings zu bewundern“, so Klingemann und macht eine Rechnung der sieben nebeneinander liegenden Grundstücken in seiner Straße auf. Frontseitig seien es 61 Meter, plus der „rechtwinkligen Projektionen“ ergeben sich 95 Meter. „Es werden also 34 Meter mehr berechnet als gereinigt.

Der Gipfel sei für Klingemann, dass die Stadt die Einbeziehung von Teilhinterliegergrundstücke damit begründet, dass sich so die Gebührensätze für alle verringern würden. Bis 2015 lag der zu reinigende Meterpreis bei 3,09 Euro, ab 2019 beträgt er 5,19 Euro. Klingemann muss nun 83,04 Euro bezahlen, anstatt 24,72 Euro. „Mir geht es nicht ums Geld, auch habe ich Verständnis, wenn Leistungen teurer werden, doch für solche sinnlose Berechnung der Straßenreinigungsgebühr fehlt mir jegliches Verständnis.“