Comedy-Lesung im Theater der Altmark / Geschichten leben durch seine Stimme Sympathischer Vorleser: Jürgen von der Lippe erheitert mit grandiosem Wortwitz
Stendal l Jürgen von der Lippe? Das ist doch der mit dem Hawaiihemd. Und der mit den, naja, irgendwie witzigen Liedchen... Dachte zumindest ich, bevor ich mich an den Abend mit von der Lippe im Theater der Altmark wagte. Dass irgendwas mehr an diesem Mann, der seit 35 Jahren unermüdlich auf Bühnen, vor Fernsehkameras und in Büchern Beweise seines Könnens liefert, sein muss, war schnell zu merken an der beeindruckenden Besucherschar am Freitagabend im Großen Haus: Voll!
Krächzend und brummend voll trockenhumorigem Ernst
Was hat dieser Mann, der von der ersten Minute an die Zuhörer und Zuschauer seiner Comedy-Lesung zum Lachen bringt, wo dieses Lachen geradezu darauf wartet, endlich herauszudürfen? Jürgen von der Lippe, stellt man beim Anhören seiner von ihm vorgelesenen Geschichten fest, ist voller Wortwitz, hat Talent für Pointen, und er ist dabei vor allem eines: ungekünstelt. Er weiß, wer er ist; und er weiß, dass er richtig liegt mit dem, was er da sprachlich aufspießt und neu angerichtet serviert. Sei es die Rekonstruktion der Strategiebesprechung vor der Ermordung Bin Ladens, seien es die Gedankengänge von Stürmer, Torwart, Fußballfan im Stadion, sei es der Orang-Utan in der Sauna oder seien es die kuriosen Beobachtungen des Geschehens an einer Hotelbar - von der Lippe findet seinen Stoff im wahren Leben, spinnt das Wirkliche aber so ins Skurrile weiter, dass Lachen ohne Tränen kaum noch geht.
Das Schöne an von der Lippes Lesung ist, dass er seinen Protagonisten allein mit seiner Stimme und mit sparsamer Mimik Leben einhaucht, wie man es beim Selberlesen kaum hinbekäme. Mal krächzt er, mal brummt er, mal sächselt und mal berlinert er - nie übertrieben, aber immer glaubhaft und voll trockenhumorigem Ernst. So bleibt vor allem die schräge Geschichte vom Cowboy "Old Tremblehand" im Gedächtnis, der nach seiner Verweigerung, mit Häuptling "Fließendes warmes und kaltes Wasser" die Friedenspfeife zu rauchen ("Danke, ich habe es mir gerade abgewöhnt."), am Marterpfahl landet und über ein kleines Mädchen einen Befreiungsversuch startet: "Meine Freunde nennen mich Werner", lässt von der Lippe "Old Tremblehand" im schönsten Berlinerisch sagen.
Ob ein versierter Künstler wie Jürgen von der Lippe zwei Stunden Dauerheiterkeit zur Zufriedenheit aller herstellen kann, sei dahingestellt. Darum seien ihm die etwas abgegriffenen Witze und wieder hervorgekramten Reime verziehen, mit der er vor allem die zweite Hälfte seiner Lesung füllte. Zum Glück machte er diese Schwäche durch weitere Kostproben seiner schrägen Geschichten wett und verwöhnte sein Publikum mit Zugaben.