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Verkehr Ab wann sind Autofahrer gefährlich?

Verkehrsrisiko Senioren? Seitdem ein 97-Jähriger in Osterburg einen Unfall mit zwei Verletzten gebaut hat, lebt die Diskussion auf.

Von Siegfried Denzel 19.07.2020, 12:46

Stendal/Osterburg l Es sei ein „ganz heißes Thema“, sagt Bruno Zowada, der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht Stendal. Immer wieder taucht die Forderung nach einem regelmäßigen Fahrtüchtigkeits-Check für ältere Autofahrer auf – ähnlich wie bei der Tüv-Hauptuntersuchung, die bei Neuwagen zunächst nach drei Jahren und später alle zwei Jahre fällig wird.

So meldeten sich nach der Volksstimme-Nachricht über einen 97-Jährigen, der am Montag in Osterburg einen Verkehrsunfall mit zwei Verletzten verursacht hat, am Lesertelefon unserer Redaktion mehrere Anrufer, die in diesen Chor einstimmten. Darunter auch Margot Renger aus Stendal: „Man geht als älterer Mensch doch auch regelmäßig zum Arzt.“ Nicht nur ihre Gesundheit sollten die Senioren regelmäßig überprüfen lassen, findet die 73-Jährige, „sondern auch die Fähigkeit, weiter Auto zu fahren“. Aus Selbstschutz, aber auch aus „Verantwortungsgefühl für andere“.

Sie selbst hat ihren Führerschein nach eigenen Worten schon vor vier Jahren freiwillig abgegeben, als sie sich wegen einer chronischen Erkrankung nicht mehr sicher genug hinter dem Lenkrad fühlte. Eine Volksstimme-Anfrage, wie viele Führerschein-Inhaber dem Beispiel von Margot Renger im vergangenen Jahr sowie in den ersten sechs Monaten von 2020 gefolgt sind, konnte der für Führerscheine zuständige Landkreis Stendal bis gestern zwar nicht mitteilen. Aber laut Polizeistatistik gehören über 65-Jährige als Verursacher schwerer Unfälle nicht zur „Hauptrisikogruppe“. So heißt es in der Polizeistatistik des Landes für 2019: „Über 80 Prozent der von Senioren verursachten Unfälle waren auf Innerortsstraßen.“ Dort ist das gefahrene Tempo meist deutlich geringer als außerorts.Und auch die Zahl gefahrener Kilometer sei bei Senioren oft deutlich geringer als in jüngeren Altersgruppen.

Verkehrswacht-Chef Zowada beruft sich bei der Frage nach einem regelmäßigen Fahrtüchtigkeits-Check für Ältere denn auch auf ein ablehnendes Votum der Landes-Verkehrswacht: Es bringe für die Verkehrssicherheit nicht viel; das habe sich in anderen Staaten mit nur befristet erteilten Fahrer-Lizenzen gezeigt.

Die Sorge von Senioren, bei altersbedingt nachlassender Fitness den Führerschein zu verlieren, könne sich sogar kontraproduktiv auswirken: So berichtet Bruno Zowada davon, „dass wir jahrelang Sicherheitstraining für Ältere angeboten haben“ – doch kaum jemand habe daran teilgenommen. Der Grund: Die Zielgruppe Ü65 habe offenbar die – unbegründete – Furcht, bei einem schwachen Trainingsergebnis zwangsweise zu Fußgängern zu werden.

Allerdings räumt er im Rückblick auf einige Aktionen in den Vorjahren ein, dass manche betagten Kraftfahrer tatsächlich nicht mehr auf vier Rädern hätten unterwegs sein sollen. Ein Beispiel: Als die Kreisverkehrswacht gemeinsam mit der Polizei in Osterburg die Aktion „Mobil bleiben, aber sicher“ anbot, habe ein Autofahrer teilgenommen, an dessen Wagen „kein Blech ohne Beule“ war. Und bei einem Training auf dem Flugplatzgelände in Borstel „wollte uns einer schon totfahren, als er nur fragte, wo er sein Auto hinstellen kann“.

Doch solche offensichtlich fahruntüchtigen Senioren seien die Ausnahme, betonen sowohl der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht als auch der Stendaler Fahrlehrer Jörg Freytag. Letzterer bietet wie manche Berufskollegen auch sogenannte Auffrischungsfahrten für ältere Autofahrer an.

Acht Mal war er im vergangenen Jahr mit Senioren im Fahrschulauto unterwegs. „Fälle, in denen ich davon abgeraten habe, weiter mit dem Auto unterwegs zu sein, hatte ich noch nicht“, berichtet er. Eher sei es bei manchen Älteren eine Frage der Wirtschaftlichkeit: Macht bei geringsten Kilometerleistungen ein eigenes Auto überhaupt noch Sinn? Oder wäre es günstiger, sich für Einkäufe mit anderen Senioren ein Taxi zu teilen?