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Verkehr Sechs Varianten für Winckelmannstraße

Die Winckelmannstraße in Stendal soll grundhaft ausgebaut werden - aber wie? Aktuell liegen sechs Varianten auf dem Tisch.

Von Donald Lyko 18.06.2020, 21:00

Stendal l Die Autofahrer wünschen sich ausreichend Parkplätze, Mütter mit Kinderwagen und Ältere mit Rollator genügend Platz auf dem Gehweg. Radfahrer möchten sich auch bei überholenden Autos auf der „Tempo 30“-Fahrbahn sicher fühlen, Fahrzeuge müssen sich unfallfrei begegnen können... Jede Nutzergruppe hat eigene Ansprüche, die für die etwa 300 Meter lange Winckelmannstraße berücksichtigt werden müssen. Allen Nutzern gerecht zu werden und nicht nur einzelnen Gruppen, das habe die Stadt mit den vorgelegten Varianten versucht, sagte Georg-Wilhelm Westrum, Leiter des Amtes für Stadtumbau und Sanierung, im Ausschuss für Stadtentwicklung. Das führe aber auch dazu, dass jede Variante Vor- und Nachteile hat, so Westrum.

Die Verwaltung schlägt für den grundhaften Ausbau, in den nach jetziger Planung rund 1,28 Millionen Euro investiert werden sollen, folgende Variante I vor: Neugliederung des Straßenraums zu Gunsten des fließenden und ruhenden Verkehrs und zu Lasten der Nebenanlagen; eine Fahrbahnbreite von durchgängig 5,55 Meter sowie Buchten für 34 Parkplätze, so dass ein uneingeschränkter Begegnungsverkehr von Auto und Lastwagen möglich ist. Das müsse gewährleistet sein, um unter anderem Probleme mit den Entsorgern zu vermeiden, begründete Westrum. Denn wenn die Müllfahrzeuge nicht in die Straße einfahren können, müssten die Anwohner ihre Tonnen zu Sammelpunkten bringen.

An seiner engsten Stelle – Anbindung der Rohrstraße – soll der Gehweg zirka 1,70 Meter breit sein von der Gebäudekante bis zum Bordstein. Ein separater Radweg ist nicht vorgesehen und nicht notwendig, weil der Radverkehr in der „Zone 30“ die Fahrbahn nutzt.

Vorgelegt wurde dennoch auch eine Variante, die einen zwei Meter breiten Radweg vorsieht, die Zahl der Parkplätze würde dabei auf elf sinken. In Variante III würde die Fahrbahn durchgehend auf 4,75 Meter festgelegt werden, ein Begegnungsverkehr würde nur für Auto und Auto möglich sein, für Fahrzeuge stünden 36 Parkplätze zur Verfügung. Die Gehwege könnten breiter gestaltet werden.

Nachdem der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) eine Stellungnahme abgegeben hatte, waren zwei weitere Varianten erarbeitet worden, bei denen die Variante I und III bezüglich der Fahrbahnbreite kombiniert wurden. Die Varianten IV und V unterscheiden sich nur in der optischen Gestaltung der Einmündung der Rohrstraße. Auch bei diesen beiden Varianten wären 34 Stellplätze möglich. Aktuell gibt es 38. Die Zahl der Parkplätze sollte annähernd erhalten bleiben, so Westrum, denn dies sei ein wichtiger Punkt für die Attraktivität als Wohnquartier. Hinzu kommt, dass Besucher des Winckelmann-Museums Parkplätze benötigen.

Die AfD-Fraktion hat nun eine weitere Variante ins Spiel gebracht: die einer Einbahnstraße mit Einfahrt vom Alten Dorf. Der Ausschuss für Stadtentwicklung hat sich mit klarer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass die Verwaltung auch diesen Vorschlag prüft. Ein Argument der AfD-Fraktion: Die Verkehrssicherheit für Auto- und Radfahrer könnte gefördert und das Unfallrisiko verringert werden, wenn nicht mehr von der Winckelmannstraße auf die Straße Altes Dorf aufgefahren werden kann. „Dort ist kein Unfallschwerpunkt, die Situation ist derzeit vollkommen unauffällig“, reagierte Georg-Wilhelm Westrum.

Erhebliche Kritik an der Gesamtplanung kommt vom ADFC. „Das Hauptproblem ist, dass zu Gunsten des Kraftverkehrs am Gehweg gespart wird. Das ist nicht zeitgemäß“, sagte Werner Hartig von der ADFC-Regionalgruppe Stendal/Tangerhütte und verwies auf die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, die als Vorschrift formuliere, dass solche Straßen „vom Rand aus zu planen“ sind. Hartig: „Gehwege sind die Hauptschlagadern urbanen Lebens.“ Sie werden nicht nur von Fußgängern genutzt, sondern auch von Eltern mit Kinderwagen, von älteren Menschen mit Rollator, von Rollstuhlfahrern und von radelnden Kindern bis acht Jahre, die dort fahren müssen und für die ein Gehweg ein sogenannter verordneter Fahrweg ist. Das müsste auch bei der Oberflächenbeschaffenheit und über die Grundstückszufahrten hinweg berücksichtigt werden, fordert der ADFC.

Auch wenn dieser vornehmlich die Radfahrer im Blick hat, „kämpfen wir dafür, dass für alle die Regelwerke gesetzeskonform“ angewendet werden. Bei der Winckelmannstraße werde „wieder nur an den Kraftverkehr gedacht“, bemängelte Werner Hartig, „es müssen aber alle, die am Verkehr teilnehmen, berücksichtigt werden“.

Ein weiterer ADFC-Kritikpunkt: Der ruhende Fahrradverkehr wurde in allen Varianten nicht berücksichtigt, es sind keine Fahrradstellplätze vorgesehen. Um Behinderungen durch abgestellte Fahrräder zu verhindern, sollten auf jeder Straßenseite zwei Standorte mit mindestens fünf Anlehnhügeln vorgesehen werden, formulierte der ADFC eine Forderung.

In seiner Stellungnahme kommt die ADFC-Regionalgruppe zum Fazit: Die vorgelegte Planung weise grundlegende Verstöße gegen Vorschriften auf und entspreche nicht den Anforderungen heutiger und zukünftiger innerstädtischer Mobilität. Sie fordert eine Neuplanung des Vorhabens.

Für die Ausschussmitglieder hatte Georg-Wilhelm Westrum vor der Sitzung das ADFC-Papier mit Kommentaren des Bauamtes versehen und dabei noch einmal betont, dass es keine Planung für einzelne Nutzergruppen geben könne, sondern „die Verträglichkeit der Nutzungsansprüche untereinander“ im Vordergrund stehen müsse.

Zur nächsten Sitzungsrunde des Stadtrates und seiner Ausschüsse will das Bauamt eine Vorlage erarbeiten, damit die umzusetzende Variante beschlossen und der Straßenausbau im nächsten Jahr in Angrif genommen werden kann.