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Wahlfälschung Zweifel an Kühnels Unschuld

Im Prozess um die Wahlfälschung in Stendal von 2014 klagt die Stadt Schadensersatz ein.

Von Regina Urbat 22.09.2020, 01:01

Stendal l Er hat sein Schweigen gebrochen. Eine Mitwisserschaft und gar Beteiligung an der Wahlfälschung von 2014 streitet der Stendaler Ex-CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel aber vehement ab. Aus diesem Grund wird die Fortsetzung des Prozesses am morgigen Mittwoch mit Spannung erwartet.

In dem Zivilprozess am Landgericht Stendal klagt die Hansestadt Stendal den Ersatz der Kosten ein, die ihr durch Wahlwiederholungen infolge des Kommunalwahlskandals im Mai 2014 entstanden sind. Wegen der Manipulation von rund 300 Briefwahlunterlagen vor sechs Jahren musste die Stadt Stendal am 9. November 2014 die Briefwahl und am 21. Juni 2015 die Stadtratswahl wiederholen. Etwa 49 000 Euro an Schadenersatz stehen zur Debatte.

Gleichzeitig beschuldigt die Stadt Stendal nicht nur den 2017 zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilten Wahlfälscher und ehemaligen CDU-Stadtrat Holger Gebhardt, sondern wirft auch dem Parteifreund Kühnel eine Mitschuld vor. Sollte das Gericht dafür ausreichend Beweise finden, würd der heute 66-Jährige gemeinsam mit Gebhardt zur Kasse gebeten werden.

Im Prozessauftakt am 11. August machten der städtische Rechtsamtsleiter Rüdiger Hell und der von der Stendaler Stadtverwaltung beauftragte Rechtsanwalt Henning von Katte von Lucke mehrmals deutlich, dass sie „große Zweifel“ hätten, dass allein nur Gebhardt den Betrug begangen habe. Sie sehen im einstigen langjährigen CDU-Kreischef einen „Mittäter“, zumal Kühnel bei früheren Befragungen stets jegliche Aussage zum Wahlskandal verweigert hatte.

Die nun erfolgte Kehrtwende im Auftakt des Zivilprozesses vor gut sechs Wochen begründete Kühnel damit, dass sein bisheriges hartnäckiges Schweigen auf einen „Rat eines Anwalts erfolgte“. Er hätte ihm empfohlen, „eine Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten“. Kühnel gab zu, dass dies „falsch gewesen ist“. Er stritt im Verlaufe des Prozesses jegliche Anschuldigungen ab, die Gebhardt im Zeugenstand gegen ihn als vermeintlichen Anstifter, Mitwisser und Beteiligten vortrug.

Bei den Schilderungen von Gebhardt zum Wahlbetrug war immer wieder von Listen, einem schwarzen Aktenordner und einer Ablage im Büro der Kreisgeschäftsstelle der CDU die Rede. Gebhardt selbst stellte sich als Auftragnehmer dar, der unter Druck gesetzt und so zum Täter wurde. Er beschuldigte Kühnel und behauptete ebenso, dass auch Hardy Peter Güssau als Mitnutzer der Geschäftsstelle Kenntnisse von den betrügerischen Vorgängen gehabt haben müsste.

Im Zeugenstand widersprach Güssau entschieden. So wie Kühnel beteuerte auch der CDU-Landtagsabgeordnete, weder von der Existenz eines schwarzen Aktenordners bis hin zu manipulierten Wahldokumenten in der Büroablage gewusst zu haben.

Aufschluss darüber erhofft sich das Gericht von der damaligen Sekretärin im Kreisbüro, die als Zeugin zur morgigen Verhandlung geladen ist. Beginn ist um 10 Uhr.