Stendaler Literaturhilfswerk im fließenden Übergang / Zukunft mit vielen Fragezeichen Weniger Kaschade, immer mehr Grabau
Das Stendaler Literaturhilfswerk am Scheideweg. Gründer Prof. Hans-Jürgen Kaschade zieht sich weiter zurück, seine Stiftung scheidet Ende 2013 aus. Prof. Fritz-René Grabau und dessen Stiftung übernehmen.
Stendal l Es war sein letzter Jahresbericht, den der Gründer und bisherige Hauptakteur und -finanzier des Literaturhilfswerks, Prof. Hans-Jürgen Kaschade, gestern der Öffentlichkeit vorlegte. Und er kann sich damit durchaus sehen lassen. Mehr als 17000 deutschsprachige Bücher hat das Hilfswerk 2011 in alle Welt verschickt - von Lehrbuchreihen über Klassik und Krimis bis zur Kinder- und Jugendliteratur.
Allein nach China, an vier Universitäten in dem Riesenreich, gingen über 12000 Bände. Weitere Adressaten waren die Partnerregion Mazeikiai in Litauen, Russland, Usbekistan, Peru und andere Länder. Aber auch die Comeniusschule und ausländische Gaststudenten in Stendal erhielten Bücher vom Literaturhilfswerk. Ein Jugendlandheim im thüringischen Zella-Mehlis, das dringend Bücher suchte, erhielt ebenfalls eine Sendung aus Stendal. "Den Tipp bekamen die Thüringer von Gästen aus Litauen, die unser Hilfswerk kannten", erzählte Kaschade gestern schmunzelnd.
Der 72-Jährige zieht sich seit längerem Schritt für Schritt aus dem Hilfswerk zurück. Bereits Anfang dieses Jahres übernahm Prof. Fritz-René Grabau die organisatorische Leitung. Ende 2013, so verkündeten beide gestern, werde auch die Kaschade-Stifung ihr Engagement im Literaturhilfswerk einstellen. Eine "Sickerlösung" nannte Grabau den fließenden Übergang, dessen genaue Ausgestaltung er noch nicht benennen konnte. Man müsse sehen, ob und wie sich die Kaschade-Stiftung weiter beteiligen und in welchem Maße sich die Graubau-Stiftung einbringen werde. Grabau beschrieb die Perspektive des Hilfswerks mit "Weiterführen auf niedrigerem Niveau". Werner Schulze vom Förderkreis der Hochschule, der neben der Stadt Stendal, der Hochschule selbst und der Kaschade-Stiftung zu den Trägern des Hilfswerks zählt, blendet auch den Ernstfall nicht aus. Sollte es künfitg nicht gelingen, einen jährlichen Abfluss von 2500 bis 3000 Büchern zu gewährleisten - so groß ist das Spendenaufkommen -, könnte das Hilfswerk seine Arbeit auch gänzlich einstellen, sagte er.
Seit 1993 hat das Hilfswerk rund 200000 Bücher verschickt. "Und jedes einzelne trägt den Namen Stendals in die Welt", wie Hans-Jürgen Kaschade betonte. Mehr als 100000 Euro hat das Hilfswerk mit Sitz in der Weberstraße 19 allein in den zurückliegenden zehn Jahren dafür ausgegeben. Der Bestand beläuft sich derzeit auf rund 60000 Bände. Geöffnet ist donnerstags von 14 bis 17 Uhr.