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Wo sich Amsel und Gärtner kritisch beäugen

Von Nora Knappe 15.07.2015, 18:23

Stendal l Abendsonne, Vogelzwitschern, laue Luft. Die dunklen Wolken des Tages machen dem hellen Blau des Himmels wieder Platz, und sogar etwas wärmer wird es jetzt gegen 19 Uhr noch mal. Beim Betreten der Kleingartensparte "Am Springberg" empfängt mich sattes Grün von Bäumen und Hecken, üppige Blumenpracht. Runde, gezackte, längliche oder wellig-gerandete Blätter deuten an, was in den Beeten bald zu ernten sein wird.

Petra Sandmann, mit der ich heute hier verabredet bin, kommt mir entgegen, denn so logisch angeordnet seien die Parzellen-Nummern nicht.

In ihrem Garten angekommen, will ich auch ihren Lebensgefährten begrüßen, aber meine Hand bleibt erstmal in der Luft hängen. Siegfried Laukert hebt den Zeigefinger und schaut horchend zur Hecke. Da sitzt eine Amsel, lauert womöglich auf frische Erdbeeren im Beet zu ihren Füßen. "Na, was hat die vor?", fragt Laukert Richtung Vogel.

Amseln und Kleingärtner - eine Liebe wird daraus wohl nie werden. Die Konkurrenz um die frischen Früchte lässt sie sich gegenseitig belauern. Auch auf die Elstern ist Siegfried Laukert nicht gut zu sprechen. "Da hinten ist Frau Elster wieder im Gange, in den Kirschen", wird er später während unserer Unterhaltung bemerken und kritisch hinüberäugen.

Die Früchte-Klauer kommen doch zu Ehren

Amsel und Elster sind also nicht so wohlgelitten. Und doch kommen sie in der Sparte zu Ehren: Hier gibt es einen Amselweg und einen Elsterweg. Und ausgerechnet auch die beiden rückwärtig aneinandergrenzenden Parzellen, die Petra Sandmann und Siegfried Laukert bewirtschaften, haben ihren Ausgang jeweils am Amselweg und am Elsterweg.

Sandmann ist erst seit März dieses Jahres Vorsitzende der Sparte Am Springberg, ganz im Westen Stendals, wo der Zug nach Wittenberge seine Kurve zieht. 90 Parzellen gehören dazu, der Großteil der Pächter wohnt im näheren Umfeld, also in Stadtsee. Die Auslastung ist sehr gut: "96 Prozent", sagt Siegfried Laukert. Er ist eher notgedrungen mit im Vorstand. "Es müssen vier Leute sein, sonst können wir den Verein auflösen", erklärt Petra Sandmann, die mit etwas Unbehagen an die bevorstehende Erneuerung der Wasserleitungen in ihrer Sparte denkt. "Die sind 40 Jahre alt, völlig marode." Die Organisation der Bauarbeiten liegt als Chefin in ihren Händen.

Abgesehen davon, möchte sie das Vereinsleben wieder ein bisschen in Schwung bringen. "Da wollte bisher keinen den Hut für aufsetzen."

Auch wenn zurzeit die Gedanken viel darum kreisen - genießen können die beiden ihre Gartenabende trotzdem. "Die Ruhe ist schön. Wir sind so gut wie jeden Abend hier, von März bis Oktober. Und am Wochenende auf jeden Fall." Abends bleiben sie in der Woche aber nicht so lang, beide sind berufstätig.

Jetzt, Mitte Juni, steht die Erdbeer-Ernte an. Außerdem wachsen Kartoffeln, Zwiebeln, Porree, Gurken, Kohlrabi, Zucchini, Paprika, Salat... "Besser bio geht nicht", sagt Siegfried Laukert. Zu tun gebe es immer im Garten, sei es, dass etwas zu reparieren ist oder dass an den Beeten gearbeitet wird. Gegossen werden muss natürlich, bei der derzeitigen Trockenheit sowieso. Laukerts Hobby ist zudem der kleine Teich mit den Seerosen und den Goldfischen. Und Petra Sandmann liebt ihre Blumen. So sehr, dass es ihr immer leidtut, wenn wieder ein Geburtstag ansteht und sie einen Strauß aus dem Garten schneiden soll.

Das Radio, das im offenen Laubenfenster steht, schnarrt etwas verrauscht die 20-Uhr-Nachrichten in den Abend. Siegfried Laukert bastelt noch ein wenig an dem 30 Jahre alten Motorrad rum, das er wieder flottmachen will. Den Grill hat er schon in Gang gebracht, die Kohle brennt. Beziehungsweise qualmt erstmal. Katze Fibi stromert lautlos über die Beete, vielleicht hat auch sie Amsel und Elster im Blick.

Petra Sandmann bringt mich zur Gartenpforte am Amselweg, man gerät nochmal ins Plaudern, währenddessen der Sprenkler in regelmäßigen Abständen kleine Schauer zu uns tröpfelt.

Mein Blick fällt noch auf die Nummer an der Tür: 79. Dass nun ausgerechnet Parzelle 79 der Vereinschefin gehört, ist erstens Zufall, kann aber zweitens dennoch als symbolträchtig gewertet werden: Der Kleingartenverein Am Springberg wurde nämlich 1979 gegründet.

Beinahe hätte ich mich schon aufs Fahrrad geschwungen, um den Pfad zwischen den Parzellen gen Ausgang zu radeln, als mir einfällt, dass das ja in einem Kleingarten bestimmt verboten ist. Mit Blick zurück zu Petra Sandmann und auf mein Rad deutend versichere ich mich: "Darf ich?" und bekomme ihr Okay in Form eines "Na, klar!" Da soll noch mal einer sagen, Kleingärtner seien penibel.