BBS II Stendal Zum Unterricht nach Auschwitz
Für 43 Schüler aus Stendal war es in der vergangenen Woche eine sehr
spezielle Klassenfahrt. Es ging nach Krakau, um von dort das
Konzentrationslager Auschwitz zu besichtigen. Gestern wurde die Reise
ausgewertet.
Stendal l Es wurde auch gelacht. Natürlich. Es sind 43 junge Stendaler auf dem Weg zu ihrem Abitur in zwei Jahren. In der vergangenen Woche machten die Elftklässler der BBSII eine Klassenfahrt nach Krakau. Das Besondere: Vorrangiges Ziel der Jugendlichen im Alter von 17 bis 19 Jahren war es, das Konzentrationslager Auschwitz zu besichtigen.
"Man hat oft etwas darüber in Büchern gelesen, aber es ist etwas anderes, wenn man diesen Ort selbst sieht", sagt der 17-jährige Thomas Müller gestern bei einer Auswertung. Mit ihren Geschichtslehrern Olaf Boese, Mirco Vogel sowie dem Lehramtsstudenten Christian Hübner haben sie sich ein Schuljahr auf die vier- tägige Bustour nach Polen vorbereitet.
"Die Themen Nationalsozialismus und Judenverfolgung interessiert mehr als andere Epochen", sagt Lehrer Olaf Boese. Die Schüler selbst hätten sich die Fahrt Anfang des Schuljahres gewünscht, schildert er. Sie sprechen in großer Ernsthaftigkeit, aber auch mit einer immer noch respektvollen Lockerheit über ihre Fahrt. Als am Anfang der Gesprächsrunde positive Aspekte benannt werden sollen, sagt einer der Schüler: "Die Martha Schieß-mich-tot, die uns durch das Lager geführt hat, fand ich gut." Auf den polnischen Nachnamen der Führerin kam er in dem Augenblick nicht. Kichern ist zu hören. "Schieß-mich-tot war jetzt wohl nicht so gut", sagt jemand anderes.
Es werden Assoziationen geäußert. "Es hatte alles etwas von Tierhaltung", sagt ein Schüler. Dutzende Fotos mit Stacheldrähten und auch dem bekannten Eingangstor von Auschwitz wurden gemacht. "Ich fand es unmöglich, als eine italienische Familie unter dem Schriftzug ,Arbeit macht frei´ ein Selfie gemacht hat", sagt eine Schülerin.
Die Berge an Haaren und die beschrifteten Koffer nennen die Jugendlichen. "Die Baracken fand ich schlimm, wenn man bedenkt, dass dort 800 Menschen drin waren", sagt eine Schülerin. Sowieso das Monströse beschäftigt die Schüler: Die Dimension der Lager Auschwitz und Birkenau. "Die Schwarze Wand fand ich heftig", sagt ein Schüler. Rund 20000 Menschen wurden dort erschossen.
"Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man in einer Gaskammer steht", sagt der 17-jährige Philip Krahnert. Der Besuch in Auschwitz habe sich durch die gesamte Fahrt gezogen. Es seien immer wieder Gespräche darüber geführt worden, erzählt Krahnert. Wenngleich auch andere Begegnungen in Krakau stattgefunden hatten. So wurde das jüdische Viertel besucht, einige sahen sich auch die Fabrik Oskar Schindlers an.
"Die Fahrt hat bemerkenswert gut geklappt", sagt Olaf Boese, der mit anderen Geschichtsklassen in der Vergangenheit nach Rom und London gefahren ist. "Eine mangelnde Vorbereitung wirkt sich negativ auf das Benehmen der Schüler aus", weiß der Pädagoge. Auf die "schwere Fahrt" nach Auschwitz hatte er seine Schüler das gesamte Schuljahr vorbereitet. Die nationalsozialistischen Ideologie spielte im Unterricht genauso eine Rolle, wie detaillierte Fakten zum KZ Auschwitz. Auch die Aufarbeitung der Nazizeit und damit die Auschwitz-Prozesse (1963-65) wurden thematisiert. Zum 9.November 2014 - dem Jahrestag des Pogroms gegen die Juden - waren die Schüler auf Exkursion in Berlin.
"Wir sind gut vorbereitet nach Auschwitz gefahren, das hat geholfen, die Dinge richtig einzuordnen", sagt der 19-jährige Lukas Lüdecke. Bis zu einem bestimmten Punkt sei es eine normale Klassenfahrt gewesen, aber als sie dann in Auschwitz weilten, da seien selbst die vorlautesten Schüler ruhig geworden.