Alte Tierrassen auf dem Tannenhof und eine Herberge samt Atelier am Jacobsweg Zwei Familien wollen den Reittourismus und die Kunst ins kleine Jerchel holen
Im kleinen Altmarkdörfchen Jerchel tut sich etwas - für den Tourismus. Gleich zwei Familien bauen zur Zeit um und aus, um Besuchern etwas zu bieten - von Naturerlebnissen und alten Tierrassen bis hin zur Entfaltung kreativer Ideen.
Jerchel l "Harcos" ist ungarisch und bedeutet "Die Kriegerin" - das drei Monate alte Fohlen, das diesen Namen trägt, gebärdet sich auch schon recht selbstbewusst. Harcos sei eines von aktuell drei Fohlen weltweit aus der Rasse der Leutstettener, die als edles Kavalleriepferd eingesetzt wurde, so die Besitzerin. Dörthe Düsedau züchtet diese selten gewordenen Tiere.
Gemeinsam mit ihrem Mann Uwe betreut sie aber auch Bentheimer Schweine, Westfälische Todtleger (Hühner) oder Rinder der Rasse "Rotes Höhenvieh" auf ihrem "Tannenhof". Alles alte Rassen, die im Rahmen eines neuen Angebotes Interesse wecken sollen für Jerchel. Und dafür wird jetzt gebaut auf dem Tannenhof - mit Unterstützung aus der Dorferneuerung und vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF). "Für diese Unterstützung sind wir auch sehr dankbar", sagt Dörthe Düsedau.
Geführte Touren zu Pferde, aber auch spezielle Seminare für gestresste Führungskräfte, Fachvorträge rund um die Tierhaltung oder auch kulinarische Ausritte sind geplant. Und zwar im Rahmen einer Pension mit Familienanschluss.
Drei Gästezimmer, Aufenthalts- und Sanitärräume werden derzeit direkt neben der großen Reithalle auf dem Tannenhof ausgebaut. Und weil Menschen, die in Jerchel die Ruhe suchen, manchmal eben auch ganz neue Anreize mitnehmen wollen, arbeiten die Düsedaus künftig mit Grit Rademacher zusammen. "Wir wollen unsere Gäste gegenseitig für die Angebote vor Ort interessieren", sagt Dörthe Düsedau.
Grit Rademacher ist freischaffende Künstlerin aus dem Großraum Berlin. Sie baut mit ihrem Lebensgefährten Andreas Scholz und drei von insgesamt sieben Kindern gerade einen rund 270 Jahre alten Hof in Jerchel aus. Es entsteht ein Kreativatelier, das nicht nur zum Malen, sondern auch zum Töpfern einladen soll. Und weil die letzten Bewohner des Hofes in der Horststraße "Heiland" hießen, soll es auch den Namen "Atelier auf dem Heiland-Hof" tragen. Am 11. August soll es eröffnet werden und dann einen weiteren Anlaufpunkt für Ruhesuchende bieten.
"Ein wunderschönes Fleckchen"
Grit Rademacher
"Wir versuchen hier Altes und Neues zu verbinden, mit der Natur zu leben und möglichst viel mit eigenen Mitteln zu machen", sagt Grit Rademacher. Auch sie hat einer fast ausgestorbenen Tierrasse ein Zuhause gegeben: Die Waliser Schwarzhalsziegen, "auch Zottelgeißen" genannt, seien durch die Heidi-Filme bekannt geworden, gelten aber seit den 80er Jahren als ausgestorben, erzählt die Künstlerin.
Dass sie aus der Milch der Ziegen, fast so wie Heidi, einmal selbst Käse herstellt, auch das hat die Wahl-Jerchelerin geplant. Aber das alles geht Schritt für Schritt.
Zunächst soll mit dem Atelier am Ortsrand eine kleine Besonderheit entstehen - mit einem großen runden Giebelfenster für einen freien Blick und viel Licht.
"Wir haben diese Gegend für uns entdeckt und es ist ein wunderschönes Fleckchen", lobt Grit Rademacher die Altmark und das kleine Jerchel. Sie will auch noch Gästezimmer ausbauen, denn die Nähe zum Jacobsweg zwischen Stendal und Bertingen lege ein solches Angebot geradezu nahe. "Es ist ein langer Abschnitt bis zur nächsten Unterkunft und es wäre gut, wenn es dazwischen noch eine Jacobsherberge gäbe", erklärt sie. Gleichzeitig könnten die Zimmer auch für Künstler-Pleinairs genutzt werden. Und die sind bereits geplant, denn als Mitglied der "Werderaner Galgenvögel", einer Künstlergruppe aus Werder an der Havel, hat Grit Rademacher einiges vor.