Sport mit Handicap Nach Corona kämpfen Rollstuhlfahrer um den Erhalt ihrer Tradition in Tangerhütte
Eines der letzten großen Breitensportfeste für Behinderte in Deutschland, das am Wochenende in Tangerhütte ausgetragen wurde, fand dieses Mal nur in kleinem Rahmen statt. Nach drei Jahren coronabedingter Pause war man aber froh, dass die Veranstaltung nicht ganz eingeschlafen ist.

Tangerhütte - Schießen, Tischtennis, Leichtathletik und mehr standen auf dem Programm des 29. Spiel- und Sportfestes für Rollstuhlfahrer und ihre Freunde in Tangerhütte. Hervorgegangen aus einer Vorgänger-Veranstaltung, die es schon zu DDR-Zeiten in Tangerhütte gab, kamen sei 1991 jedes Jahr zwischen 40 und 60 Menschen mit Behinderung, um den Spaß am Sport und am Leben zu feiern. Zu DDR-Zeiten waren es bis zu 200 gewesen.
Diesmal waren es nur 18, die den Weg nach Tangerhütte fanden, doch auch die bekamen Unterstützung von verschiedenen Vereinen und Gruppen, die das Rollisportfest in Tangerhütte seit Jahrzehnten begleiten. Die geringe Beteiligung hatte mit Terminfindungsschwierigkeiten und finanziellen Sorgen im Verein zu tun. Im kommenden Jahr soll das 30. Rollisportfest gefeiert werden und dann hoffen alle wieder auf volle Besetzung.
Gefühl in familiärer Runde dazuzugehören
Karsten Bahn aus Halle fasst zusammen, was das Sportfest so besonders macht: „Du bist einfach ganz normal hier, nicht der Behinderte, auf den alle schauen.“ Auch die laufenden Teilnehmer und die Helfer setzen sich bei den Wettkämpfen in den Rollstuhl, um ähnliche Voraussetzungen zu schaffen.
„Es geht hier nicht um Siege und Pokale, sondern vor allem um den Spaß und das Zusammensein.“ Seit 1997 sitzt er nach einem Unfall im Rollstuhl, zwei Jahre später kam er zum ersten Mal mit nach Tangerhütte. „Ich war am ersten Tag noch aufgenommen in die Runde der Sportler hier“, sagt er und: „Seitdem ist es immer ein bisschen wie nach Hause kommen, es ist eine Familie hier.“

Das Gefühl für das besondere Sportfest, das viele immer wieder nach Tangerhütte lockt, ist das eine. Die praktische Organisation aber die andere Seite der Medaille.
Und die war in diesem Jahr – nach drei Jahren coronabedingter Pause wegen besonders hoher Auflagen für behinderte Menschen – ein echter Kraftakt, wie Ilka und Franziska Görsch vom ausrichtenden Verein Behindertensportfest Tangerhütte erklärten.
Neben den Umbauarbeiten im Wohnheim des Landesbildungszentrums, das in den Ferien auch für die Übernachtung der Teilnehmer genutzt wird, stand lange nicht fest, an welchem Termin das Fest stattfinden kann.

Als es feststand, war die jahrelang eingeplante Unterstützung des Hauptsponsoren nicht mehr zu beantragen und so speckten die Organisatoren das Rahmenprogramm ab und beschränkten sich auf die beliebtesten Sportarten. Das brachte manchen Teilnehmer dazu, noch abzusagen.
Eine, die nicht abgesagt hatte und sich trotz Augenproblemen ganz fest vorgenommen hatte, wieder den schmucken Adler beim Schützenverein als Trophäe zu holen, war Heike Zurheiden aus Dresden. Sie hatte sich aber noch etwas vorgenommen: Danke zu sagen bei denen, die das Fest endlich wieder möglich machten.

„Dass wir uns nach drei Jahren wiedersehen, das freut mich sehr“, sagte sie, als sie Blumen an den Vereinsvorstand und an Frank Weißleder vom Reha-Team Magdeburg überreichte.
Die Hauptsache ist das Weitermachen
Letzterer sichert das Sportfest seit vielen Jahren in Technikfragen für die Rollstühle mit ab. Er sagte: „Ich habe nach der Coronazeit nicht für möglich gehalten, dass es noch mal stattfindet. Auch wenn es diesmal unter provisorischen Bedingungen sein soll, muss man doch bewahren, was man hat. Ich hoffe dass dieses Fest in den nächsten Jahren wieder einen Aufschwung erlebt!“
Übrigens gab es neben der Vereinsvorsitzenden Ilka Görsch und ihrer Tochter Franziska auch wieder einige neue Helfer, die mit anpackten. Darunter war auch der neunjährige Bennet, Sohn von Franziska Görsch, der bereits kurz nach seiner Geburt zum ersten Mal beim Rollisportfest dabei war. Diesmal reichte er unter anderem Getränke aus und versprach auch künftig mit dabei zu sein.