Unikat hängt seit dem Mittelalter in St. Laurentius 700 Jahre alte Glocke läutet in Seehausen
Viel fehlt nicht mehr, dann wird die mittlere Bronzeglocke in Seehausen satte 700 Jahre alt. Sie stammt, laut alten Aufzeichnungen, aus dem Jahr 1336 und hängt seither im Glockenstuhl der Kirche St. Laurentius. Bemerkenswert ist ihre Inschrift, die es so kein zweites Mal in der Börde gibt.

Seehausen - Eine Rundführung durch den Glockenstuhl beim Volksstimme-Vorort-Termin hat der neue Pfarrer des Kirchspiels Seehausen, Lutz Brillinger, von Ortsbürgermeister Eckhard Jockisch (Freie Wähler) bekommen.
Dabei wies das 79-jährige Oberhaupt der Seestadt besonders auf die historische mittlere Bronzeglocke hin. Sie stammt aus dem Jahr 1336 und zählt damit zu den ältesten Glocken in der Börderegion, die heute noch ihren Dienst tun. „Jede Glocke ist an sich ein echtes Unikat“, sagt Eckhard Jockisch bei dem Termin. Das weiß er sehr gut, denn er war einst beim Gießen einer der Seehäuser Glocken live dabei. „Es ist schon ein gewaltiger Aufwand und die Arbeit an sich erfordert große Kunstfertigkeit von den Gießermeistern“, erzählt er.
Zu der Arbeit an sich gesellt sich auch der große Respekt, den die Kirchengemeinden dem feierlichen Akt zollen. Bei den Seehäusern war das nicht anders. Auch deshalb sind sie ganz besonders stolz auf den Klangkörper aus dem Jahr 1336, denn alle Einwohner der Stadt kennen und schätzen – zumal sie ihn auch immer wieder im Geläut hören. Das Unikat aus dem Mittelalter hat aber noch etwas aufzuweisen, welches vergleichbare Glocken nicht haben. Es ziert sie der Spruch: „O rex gloriae Christe veni cum pace“ – übersetzt lautet er: „Oh König der Ehren, Christus komm zu deinen Frieden“. „Glockensprüche sind völlig normal“, sagt Eckhard Jockisch. „Aber dieser enthält einen Schreibfehler.“ Ganz unkompliziert wurde der auch gleich noch korrigiert – und zwar direkt auf der Glocke. Das sprang dem Pfarrer auch gleich ins Auge, der mit dem Finger auf ein nachträglich angebrachtes „L“ zeigte, welches dem „gloriae“ offensichtlich fehlte.
„Diese Inschrift macht das Unikat ohne Zweifel einzigartig“, schätzt Eckhard Jockisch ein. „Aber auch ein besonderes Bildnis auf der Glocke kündet davon, dass die Menschen im Mittelalter vor Ideen sprühten und zudem eine Menge Humor hatten.“ Dabei verweist er auf die Darstellung eines Fuchses, der aufrecht stehend – auf einen Stock gestützt – vor zwei Gänsen predigt. Diese Staunen Meister Reineke an und der trägt ein Mönchsgewand.
„Es wird vermutet, dass das Bildnis ausdrücken soll, die Gläubigen mögen nicht einem falschen Propheten Glauben schenken“, bringt das Stadtoberhaupt vor. Es grenze zudem an ein Wunder, dass der Klangkörper alle Kriegswirren überstanden hat und nicht eingeschmolzen wurde, wie so viele andere Bronzeglocken im Land. Zum Abschluss der Führung gibt es für die Besucher einen sehr direkten Genuss auf Nahdistanz – alle drei Glocken läuten auf einmal los. „Das kommt davon, wenn man über Geschichte ins Schwärmen gerät“, so Jockisch schmunzelnd.