Polizei ruft Oschersleber Bevölkerung und Händler zu Achtsamkeit und Vorsicht auf Anschläge reißen nicht ab: Erneut ätzende Flüssigkeit ins Ärztehaus geschüttet
Es riecht erst nach Stinkefüßen, dann nach faulen Eiern und später ätzend-beißend: Ein Unbekannter verschüttet seit drei Monaten regelmäßig an gut besuchten Orten in der Stadt eine gefährliche Flüssigkeit. Die Polizei mahnt zur Vorsicht.
Oschersleben l Seit Dezember versprüht ein Unbekannter in Oscherslebens Innenstadt immer wieder eine stinkende Flüssigkeit. Stets an sehr gut besuchten Orten wie Kaufhallen, Bankfilialen und Ärztehäusern und immer ohne Vorwarnung wirft der Täter ein oder mehrere Fläschchen mit der ätzenden Substanz auf den Boden, die sich dann schleichend verbreitet, während er wieder verschwindet.
Bereits zum siebten Mal wurden am Mittwoch die Polizeiobermeister Angelika Hildebrandt und Peter Hartling zu einem solchen Anschlag gerufen. "Wahrscheinlich liegt die Anzahl der Betroffenen noch viel höher", schätzt die Beamtin ein. Viele Verkäufer und Inhaber würden den Anschlag als solchen gar nicht erkennen und daher keinerlei Handlungsbedarf sehen. "Einige haben die Flüssigkeit einfach schnell mit einem Lappen aufgewischt, weil es faulig roch und sie die Kunden nicht verängstigen wollten", so Hildebrandt.
Doch dieses Verhalten sei gerade falsch. Denn Haut und auch Schleimhäute leiden unter den giftigen Dämpfen, die entstehen, wenn sich die Flüssigkeit bei Zimmertemperatur verflüchtigt. Direkter Hautkontakt ist sogar noch riskanter. Es kann zu schwerwiegenden Verätzungen kommen. Wer die Substanz einatmet, leidet möglicherweise noch viele Tage unter Kopfschmerzen, es kann sogar Migräne ausbrechen.
"Hier besteht definitiv eine Gefahr für die Gesundheit", warnt auch Peter Hartling. Wer hinter den mysteriösen Verbrechen steckt und ob sie Anhaltspunkte haben, dazu möchten sich die Polizisten aus ermittlungstechnischen Gründen noch nicht äußern. "Uns ist jetzt in erster Linie wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren", sagt Hartling. Deshalb seien er und seine Kollegin an die Volksstimme getreten.
"Viele unterschätzen einfach die gesundheitliche Gefahr."
"Viele unterschätzen einfach die gesundheitliche Gefahr", sagt Angelika Hildebrandt. "Sie riechen etwas Fauliges und denken sich nichts weiter dabei." Dabei sind bereits gesundheitliche Folgen für die Betroffenen eingetreten. "Eine Mitarbeiterin eines Geschäftes musste stationär behandelt werden", berichtet die Gesetzeshüterin.
Der Arzt Wolf-Uwe Venske behandelt tagtäglich Menschen, die unter Erkrankungen der Atemwege leiden. Er weiß, wie gefährlich Säuren und andere Substanzen für die Lungen, die Schleimhäute, den gesamten Organismus sind. Das Ärztehaus, in dem er praktiziert, wurde schon zwei Mal Schauplatz einer solchen Attacke. Im Treppenhaus wurden mehrere Flaschen mit der Substanz fallen gelassen, deren beißender Gestank sich dann langsam in den Gängen ausbreitete. Das erste Mal Ende Januar und nun erneut an diesem Mittwoch.
"Ich sehe das nicht als Dummejungenstreich", so der Mediziner. "Hier versucht jemand - vielleicht auch eine Gruppierung - Aufmerksamkeit zu erzeugen." Schließlich seien ausschließlich öffentlich gut besuchte Orte betroffen gewesen. In dem Ärztehaus sind mehrere Praxen, außerdem eine Apotheke und ein Optiker untergebracht.
"Bis klar war, dass es sich um eine gefährliche Flüssigkeit handelt, ist einige Zeit vergangen", erinnert sich Venske an den ersten Anschlag vom 26. Januar. "Anfangs dachten die Patienten, die durch das Treppenhaus kamen, jemand habe Schweißfüße. Später kamen die Leute mit Tüchern vor dem Mund in die Praxis. Da wurde allen klar, dass es sich um eine Säure handeln musste."
Venske handelt und ruft die Polizei, die das Haus räumt und die Feuerwehr benachrichtigt. "Das war genau richtig", sagt Angelika Hildebrandt. "Die Situation darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Und man sollte sich nicht darauf verlassen, dass schon jemand anders den Vorfall meldet. Lieber zwei Mal anrufen, als gar nicht." Bei Verdacht auf einen Anschlag seien sofort Polizei unter Telefon 110 und die Rettungsleitstelle der Feuerwehr unter Telefon 112 zu verständigen.
"Achten Sie auf verdächtige Personen in Ihrem Umfeld"
Der Mediziner und Stadtrat hatte selbst noch Tage später mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Der stechende Geruch ließ sich auch aus dem Treppenhaus nur langsam entfernen. Optiker Ralph Lehmann hat im Erdgeschoss seine Geschäftsräume. "Ich habe erst von dem Anschlag erfahren, als Blaulicht vor der Tür aufleuchtete", erklärt er. Mittlerweile sei er aufmerksamer geworden. Deshalb hat er auch einen Brief der Polizei an seine Eingangstür gehängt. Darin bitten die Beamten die Bürger um ihre Mithilfe. "Achten Sie auf verdächtige Personen in Ihrem Umfeld", ist darin zu lesen. Und: "Zeigen Sie Zivilcourage und geben Sie als Zeuge die Hinweise der Polizei bekannt".
Angelika Hildebrandt und Peter Hartling arbeiten derzeit an einer schnellen Aufklärung der geheimnisvollen Anschläge.