Klein Wanzleben feiert in diesem Jahr Jubiläum "175 Jahre Zuckerproduktion" - Artikelserie über die Geschichte des Ortes - Heute Teil 1 Bauern, Handwerker und Gastwirte gründeten Zuckerfabrik
Das Jubiläum "175 Jahre Zuckerproduktion in Klein Wanzleben" wird vom 2. bis 4. August festlich begangen und wird seit über einem Jahr durch eine Arbeitsgruppe vorbereitet. In einer mehrteiligten Artikelserie schreibt Bürgermeister Horst B. Flügel über die Geschichte Klein Wanzlebens, wobei die letzten 175 Jahre die wohl bedeutendsten waren.
KleinWanzleben l Die Ersterwähnung unseres Ortes erfolgte zusammen mit zahlreichen Dörfern des Umlandes im Jahre 1145 durch eine Urkunde des Papstes Lucius II. Die Namen minori Wantzleve beziehungsweise später Lüttgen Wanzleue wiesen auf unseren Ort mit der heutigen Bezeichnung hin. Das Dorf war in den folgenden Jahrhunderten geprägt durch die Landwirtschaft, wie auch die vielen anderen Dörfer in der Börde, die ihre Lebensgrundlage bildete.
1618 bis 1648 wüteten die Kriegsscharen und die Pest
Verschont wurde der Ort aber auch nicht von Katastrophen. Während des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) wüteten die Kriegsscharen und die Pest, so dass ganze 70 Einwohner zurückblieben. Im folgenden Jahrhundert waren es zwei Brandkatastrophen, die dem Ort riesigen Schaden zufügten. Am Michaelistag 1752 äscherte eine Feuerbrunst mehr als ein Drittel des gesamten Dorfes ein, angeblich nahm eine Magd Rache an ihrer Herrschaft. Nur 40 Jahre später vernichtete ein Großfeuer fast das gesamte Dorf, wobei sechs Menschenleben zu beklagen waren und nur wenige Häuser, darunter die Kirche, übrig blieben.
Nur wenig später überzog Napoleon mit seinen Truppen Europa mit einem Krieg, der erneut Not und Elend auch für die Klein Wanzleber brachte. Die von ihm verhängte Kontinentalsperre (Blockade der Seehäfen) und damit das Fehlen von wichtigen Gütern des täglichen Lebens, vor allem von Zucker, ließ in der Folgezeit Runkelrübenzuckerfabriken wie Pilze aus der Erde schießen, so auch in der fruchtbaren Magdeburger Börde. Viele überlebten aber das Jahr 1820 nicht, auch weil bei einem Zuckergehalt von sechs bis acht Prozent und einer Ausbeute von etwa zwei Prozent keine Wirtschaftlichkeit zu erreichen war. Klein Wanzleben hatte zu diesem Zeitpunkt wieder 478 Einwohner und 78 Wohnhäuser.
Eines der bedeutsamsten Jahre war 1838
Dann schrieb man das Jahr 1838 (genau den 11. Februar)was wohl für den Ort als eines der historisch bedeutsamen Jahre einzuordnen ist. Diese Zeit, die jetzt anbrach, kann wohl mit Fug und Recht als epochemachend für das Phänomen "Zuckerrübenanbau und Rübenzuckergewinnung" angesehen werden. 19 Bauern (Ackermänner, Halbspänner und Kossathen), Handwerker und Gastwirte aus Klein Wanzleben und Seehausen gründeten mit einem Stammkapital von 15000 Talern die Zuckerfabrik "Peter Walstab Co.", die im Spätherbst in Betrieb ging und die in der ersten Kampagne 45000 Dezitonnen Rüben verarbeitete. Landwirt Kunze war der erste Direktor der Fabrik, der diese Rübenquetsche, wie sie im Volksmund genannt wurde, leitete.
Matthias Rabbethge hatte die Perspektiven erkannt
Entscheidend für die weitere Entwicklung war im Jahre 1847 der Eintritt von Bauer Matthias Rabbethge senior aus Klein Rodensleben in das Unternehmen, denn er erwarb Anteile an der Fabrik und kaufte den Warneckschen Hof. Er hatte die Perspektiven der Zuckerfabrikation erkannt, wohl aber auch seine derartigen Grenzen (Zuckergehalt der Rüben). Zu erwähnen aus dieser Zeit ist auch noch die Errichtung einer Zichoriendarre (diente als Kaffeeersatz) durch den Landwirt Moltecht, die aber nach der Nutzung durch die Zuckerfabrik als Wirtschaftshof ihren Betrieb einstellte. Später diente sie dem VEB Ringermast als Wirtschaftsgebäude (Verwaltung, Schafställe) und wurde 2003 abgerissen.
Im Jahre 1858 tritt Adolf Giesecke aus Salbke in die in Gründung befindliche OHG "Zuckerfabrik" ein und erwirbt 7/16 der Aktien. Ein Jahr später begann Matthias Rabbethge junior mit der Rübenzüchtung und wandte als erster das Verfahren "Salzwassersektion" zur Auswahl von Mutterrüben für die Samengewinnung an. Damit war die Rübensamenzucht in ihr eigentliches wissenschaftliches Stadium getreten.
Im Jahr 1864 wurde offene Handelsgesellschaft gegründet
Im Jahr 1864 wurde dann die Gründung der offenen Handelsgesellschaft vollzogen und die Gründungsväter Matthias Rabbethge senior und Adolf Julius Giesecke übertrugen ihre Anteile ihren Söhnen Matthias Rabbethge junior und Julius Giesecke, der bereits 1858 die Tochter von Matthias Rabbethge senior geheiratet hatte. Ein weiterer Meilenstein der Züchtung waren die Einführung des Polarimeters zur Zuckergehaltsbestimmung ab 1862 und Serienanalysen ab 1878.