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Denkmal Aus Ruine wird Traumhaus

Denkmalschutz ist mehr als der Erhalt schöner Fassaden. Familie Schindler entschied sich vor 30 Jahren bewusst für ein historisches Haus.

Von Juliane Just 25.08.2020, 01:01

Wanzleben l Als ihr Mann sie vor über 30 Jahren fragte, ob sie die Ruine in Wanzlebens Innenstadt kaufen und sanieren wollen, wurde Silke Schindler mulmig im Bauch. Dieses zerfallene Haus, das unter Denkmalschutz steht? Das jahrelang heruntergewirtschaftet wurde? Schließlich willigte sie ein und sie hauchten dem über 200 Jahre alten Gebäude neues Leben ein.

„Es ging uns vordergründig um den Erhalt der historischen Bausubstanz“, sagt Silke Schindler rückblickend. Sie ist Landtags- abgeordnete, war zwölf Jahre lang Wanzlebens Bürgermeisterin. Das imposante Haus im Herzen der Stadt sollte nicht auch noch der Abrissbirne zum Opfer fallen. „Die Börde ist an historischer Bausubstanz nicht so reich beschenkt“, sagt Martin Schindler, seinerseits seit 30 Jahren Kreistagsmitglied und damals Mitglied des Kulturbundes.

Im Frühjahr 1990 kaufte Familie Schindler das geschichtsträchtige Haus in der Hospitalstraße. Dafür holten sie sich einen Architekten an die Seite, der sich mit denkmalgeschützten Bauen auskannte. Im Jahr 1995 begannen die Bauarbeiten.

Einen Denkmalstatus erhalten Gebäude wegen ihrer Geschichte oder ihrer Bedeutung für Menschen. Die Kriterien stehen in den Denkmalschutzgesetzen der jeweiligen Bundesländer. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle entscheidet per Gutachten, ob die Voraussetzung für den Schutz eines Gebäudes erfüllt sind. Ist das der Fall, kommen auf den Eigentümer teils erhebliche Auflagen zu. Martin und Silke Schindler wussten, was auf sie zukommt.

Laut Unterlagen stand das Haus in der Hospitalstraße bereits 1810 und 1820 an diesem Fleck. Doch bei den Sanierungsarbeiten fanden sie unter einem Balken im Dachgeschoss einen Zettel. Dort hatten sich Zimmerleute einen Scherz erlaubt und schrieben, in der Nähe des Hauses sei ein Schatz versteckt. Der Zettel ist 1771 datiert. „Wir hatten selbst Interesse daran, viel von der alten Bausubstanz wie das Fachwerk oder den Bruchsteinsockel zu erhalten“, sagt Martin Schindler.

Das ist im Sinne der Denkmalschutzbehörde, denn Kulturdenkmale sind nach „denkmalpflegerischen Grundsätzen zu erhalten, zu pflegen und instandzusetzen“, wie Thorsten Neitzel, Sachbearbeiter der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Börde, schreibt. Er ist einer von drei Mitarbeitern, die Häuslebauern mit fachgerechter Beratung in Sachen Denkmalschutz zur Seite stehen.

Die Mitarbeiter dürfen im Zuge des Denkmalschutzes gestaltend eingreifen. Dabei wird laut Thorsten Neitzel individuell je nach Objekt entschieden, welche Maßnahmen notwendig sind, denn die Bandbreite der Kulturdenkmale ist groß. Dazu gehören beispielsweise Schlossanlagen, Kirchen und Rathäuser, aber auch Bauernhöfe und Wohnhäuser sowie ganze Denkmalbereiche bis hin zu technischen Denkmälern wie Brücken, Mühlen oder Ziegeleien.

Während der Sanierung musste Familie Schindler einige Kompromisse mit der Denkmalschutzbehörde eingehen. „Wir haben oft diskutiert, haben aber immer eine Lösung gefunden“, so Martin Schindler. Ein Problem sei beispielsweise die Fensterfront gewesen. Fünf verschiedene Fenstervarianten fanden die Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde in dem alten Haus, doch die Bauherren wollten gern eine einheitliche Fensterfront und fanden dafür Verständnis.

Des weiteren wollte die Familie den Dachboden ausbauen. Doch dafür braucht es Licht. Vorher war das Dach durchgehend mit Ziegeln versehen, es mussten aber Fenster her. So diskutierten Martin und Silke Schindler mit der Denkmalschutzbehörde und konnten letztendlich eine Schleppgaube bauen, unter der sich eine Fensterfront befindet. Hier wurde vom historischen Bestand abgewichen.

Doch wie weit geht Denkmalschutz? Martin und Silke Schindler rümpften die Nase, als sie beispielsweise zwei Schornsteinattrappen auf dem Dach anbringen sollten, die nicht mehr gebraucht wurden. „Manchmal ist die Diskussion aber wichtig. Man muss dann nachweisen, dass es bei anderen Fachwerkhäusern anders gemacht wurde“, so Martin Schindler. „Wenn man sich für so etwas engagiert, sollte man nicht mit der Brechstange herangehen.“ Unzählige Fotos haben die beiden deshalb in Städten mit historischem Stadtkern wie Quedlinburg gemacht, um ihre Thesen zu untermauern.

Doch dass Denkmalschutz mehr als nur der Erhalt schöner Fassaden ist, merkten die beiden, als die Denkmalschutzbehörde auch im Innenraum ein Wörtchen mitzureden hatte. Auch dort erhielt das Ehepaar Vorgaben, was erhalten werden kann – doch dies hielt sich in Grenzen. Denkmalstatus bedeutet auch, dass jede Veränderung an dem Haus für Familie Schindler genehmigungspflichtig ist – bis heute.

Drei Jahre nach Beginn der Großbaustelle, im Jahr 1998, konnte Familie Schindler einziehen. Zwischenzeitlich wohnten drei Generationen in dem geschichtsträchtigen Haus. Insgesamt 450.000 D-Mark steckte Familie Schindler in das historische Traumhaus. Davon wurden 88.000 Euro durch das Programm Stadtsanierung gefördert. „Es war schon eine Mammutaufgabe. Aber so ein Projekt macht man eben auch nur einmal“, sagt Silke Schindler und schmunzelt.