Wertvolle Compenius-Reubke-Orgel soll spielbare Prospektpfeifen bekommen Orgelpfeifen für die Martinikirche zu verkaufen
In der Kroppenstedter Martini-Kirche werden Orgelpfeifen verkauft. Die Besitzer können sie allerdings nicht mit nach Hause nehmen, sondern sie werden in den Orgelprospekt gesetzt. So sollen 90 fehlende Pfeifen beschafft werden.
Kroppenstedt l Die Aktion für Orgelpatenschaften wurde erst im Frühsommer ins Leben gerufen. Sieben der 90 fehlenden Prospektorgeln der Compenius-Reubke-Orgel sind bereits verkauft. Die Initiatoren Monika Schmidt und Jürgen Vogel hoffen auf weitere Orgelpatenschaften. "Alle Spender werden auf einer Tafel verewigt", sagt Monika Schmidt. Das Ziel der Orgelsanierung ist ehrgeizig. "Noch fehlen 20000 Euro", so Monika Schmidt, "die wollen wir bis zum Jahresende zusammenbringen." Zum Reithufefest im kommenden Jahr, am 3. Oktober 2014, soll die Orgel erstmals wieder erklingen.
Die Kosten der zwischen 40 Zentimeter und 2,80 Meter großen Pfeifen betragen pro Stück zwischen 100 und 500 Euro. Monika Schmidt und Jürgen Vogel sind guter Hoffnung, dass sich viele Menschen am Wiederaufbau der Orgel beteiligen werden. "Selbst in Kriegszeiten haben Menschen von ihren wenigen Pfennigen Geld für die Kirche gegeben", sagt Monika Schmidt. Auch Gemeindepädagoge Jürgen Vogel setzt auf das Generationenprojekt. "Je mehr die Welt technisiert wird", sagt er, "um so mehr erhalten solche uralten Originale, wie die rund 400 Jahre alte Orgel, an Wert."
Neben Spenden aus der Bevölkerung wird die Orgelsanierung auch mit Mitteln des europäischen Förderprogramms Leader bezahlt. Vor allem gibt die Kroppenstedter Reithufestiftung einen Anteil dazu. Sie gilt als Rückgrat der Finanzierung.
Ist die Orgel fertiggestellt, wird es in der Martinikirche wieder Orgelkonzerte geben. "Es gibt bereits Organisten, die sich darauf freuen, auf dieser Orgel zu spielen", sagt Gemeindepädagoge Jürgen Vogel.
Die Prospektpfeifen wurden im ersten Weltkrieg beschlagnahmt und zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Damals zählten die Pfeifen nicht als Musikinstrumente, sondern galten im Jahr 1917 schlichtweg als 122 Kilogramm Zinn.
Zurzeit ist die gesamte Orgel hinter einer gewaltigen Plane verschwunden, geschützt vor der Unbill von Bauarbeiten. Nicht nur die Orgel, auch das Dach der Martini-Kirche ist reparaturbedürftig. Der Dachstuhl über und neben der Orgel wird gerade saniert und das Dach neu gedeckt.
Die Orgelmusik wird ganz sicher ihre Genießer finden, aber auch die Geschichte der Orgel ist es wert, erzählt zu werden. "Die Orgel wurde ab 1603 von Esaias Compenius erbaut", sagt Monika Schmidt, "offenbar arbeitete er immer für einen Vorschuss." Manchmal war der Orgelbauer den damaligen Ratsherren nicht schnell genug, also den gewährten Vorschuss nicht wert. Sie warfen ihn kurzerhand ins Gefängnis.
Das Gefängnis ist heute noch im Rathaus zu besichtigen, eine einfache Zelle mit einer Luke in der Decke. "Vermutlich konnten die Aufseher von oben schauen, was der Gefangene tat", erzählt Monika Schmidt.
Sie war es, die die Idee hatte, die neuen Prospektpfeifen spielbar zu machen. "Das ist nicht unbedingt üblich", erzählt sie, "oft sind die sichtbaren Pfeifen nur zur Zierde angebracht." Monika Schmidt setzt trotzdem noch einen drauf. "Die Pfeifen sollen nicht nur einfach erklingen, sondern so, wie bei Compenius."
Der Orgelbauer muss ein wahrer Meister seines Handwerks gewesen sein, denn dass er mit der Kroppenstedter Orgel nicht schnell genug voran kam, hat auch daran gelegen, dass er auf Geheiß von Bischof Heinrich Julius zwischendurch in dessen Sommerresidenz, im Gröninger Schloss, eine Orgel bauen musste und die Kroppensteder deshalb vernachlässigt hat.
Eine weitere Compenius-Orgel gibt es noch heute im dänischen Schloss Frederiksborg."Schweden und Dänen, die unsere Orgel besichtigt haben, waren begeistert", sagt Monika Schmidt, "eigentlich müssten auch wir unsere Kulturgüter besser schätzen." Auch deshalb hat sie die Spendenaktion mitbegründet.
Das Besondere an St. Martinis Orgel ist auch, dass sie um 1858 von einem weiteren berühmten Orgelbauer, von Adolf Reubke, modernisiert wurde. Reubke kannte den Wert der Compenius-Orgel und hat vier Compenius-Register und den Originalprospekt beibehalten. "In dieser Kombination ist unsere Orgel weltweit einmalig", betont Monika Schmidt.
Das Ziel ist also formuliert, die Prospektpfeifen sollen nach Compenius klingen und das stellt den Orgelbauer Reinhard Hüfken aus Halberstadt gleich vor eine weitere Herausforderung "Ein zweiter Spieltisch muss installiert werden", sagt Jürgen Vogel. Der Platz dafür ist gefunden. Die Prospektpfeifen werden künftig von einem Spieltisch unterhalb der Orgel zum Klingen gebracht.
In der Martinikirche selbst gibt es keinen Organisten. Die Orgel wird hin und wieder durch einen Orgamaten gespielt, ein technisches Gerät, dass den Organisten ersetzt. "Reine Notwehr", sagt Jürgen Vogel, "eine Orgel, die nicht gespielt wird, geht kaputt." Als es noch ABM-Kräfte gab, haben die regelmäßig die Orgel in Bewegung gehalten.
Wer für die Compenius-Reubke-Orgel Kroppenstedt spenden möchte, kann unter dem Kennwort Compenius-Reubke-Orgel auf das Konto der Kroppenstedter Reithufestiftung bei der Bördesparkasse, Bankleitzahl 81055000 auf das Konto 3000001564 überweisen.