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Umweltschutz Wie in der Börde seltene Wildkräuter aufgespürt werden

Bestimmte Wildkräuter an landwirtschaftlichen Flächen werden immer seltener. Die Stiftung Kulturlandschaft Wanzleben will diese Kräuter schützen.

Von vs Aktualisiert: 25.07.2023, 22:56
Antje Lorenz,  Diplomingenieurin für Landespflege, hat sich dem Schutz von Ackerkräutern verschrieben.
Antje Lorenz, Diplomingenieurin für Landespflege, hat sich dem Schutz von Ackerkräutern verschrieben. Foto: Stiftung Kulturlandschaft Wanzleben

Wanzleben - Sie sind meist recht klein, oft unscheinbar und dann auch noch konkurrenzschwach. Aber wenn man sich mal bückt und genau hinschaut, findet man hübsche Blüten, Blätter oder Samen.

Antje Lorenz geht meistens mit gesenktem Kopf, um die Pflanzen zu ihren Füßen betrachten zu können, berichtet die Stiftung. Die Diplomingenieurin für Landespflege habe sich bereits seit 23 Jahren dem Naturschutz verschrieben; seit einigen Jahren nun arbeite sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt in Wanzleben.

Ein Acker in der Börde, auf dem Wissenschaftler nach Ackerwildkräutern suchen.
Ein Acker in der Börde, auf dem Wissenschaftler nach Ackerwildkräutern suchen.
Foto: Stiftung Kulturlandschaft Wanzleben

Ihr Hauptaugenmerk gilt den Ackerwildkräutern. Diese seinen schlicht im Wuchs, aber sehr wichtig als Nahrungsgrundlage für Insekten. Es seien auf alle Fälle keine Unkräuter. Sie gedeihen nur auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die regelmäßig umgebrochen werden und benötigen viel Licht. Extensive Landwirtschaft mit verzögertem Umbruch der Felder ist ihnen zuträglich. Chemischen Pflanzenschutz und übermäßige Düngung vertragen sie nicht. „Von ungefähr 280 Ackerwildkräutern in Sachsen-Anhalt sind etwa die Hälfte als gefährdet eingestuft oder stehen auf der Vorwarnliste“, erläutert Expertin Antje Lorenz.

Bauernverband ist Projektpartner

Sie beschäftigt sich seit 2020 innerhalb des dreieinhalbjährigen „Modellprojektes zur Verbesserung der Situation von Ackerwildkräutern in Sachsen-Anhalt“ mit diesen Pflanzen. Das Projekt sei bis September 2022 über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) aus Mitteln der EU und des Landes Sachsen-Anhalt gefördert worden. Projektpartner waren neben dem Botanischen Verein auch die Hochschule Anhalt in Bernburg, die Georg-August-Universität Göttingen, der Bauernverband Sachsen-Anhalt und das Landesamt für Umweltschutz.

Seitdem haben Antje Lorenz und ihre Kollegen ein Flächenkataster von 230 Flächen mit Vorkommen seltener Ackerwildkräuter im Land Sachsen-Anhalt aufgestellt. Ihr Kollege Dr. Heino John leiste hier schon seit Jahrzehnten Pionierarbeit, so die Stiftung. Mit Hilfe von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Naturschützern, dem Botanischen Verein Sachsen-Anhalt sowie Landwirten konnten wertvolle Potenzialflächen, manchmal nur noch sehr schmale Streifen an den Ackerrändern mit besonderen Arten, erfasst werden.

Fortgeführt werde der Ackerwildkrautschutz nun seit Oktober 2022 im Rahmen des Folgeprojekts „Erhaltung und Wiederherstellung der gefährdeten Segetalflora Sachsen-Anhalts“.

Antje Lorenz und ihre Kolleginnen und Kollegen führen das Flächenkataster fort und sind für Hinweise zu Ackerflächen mit wertgebenden Arten dankbar. Aber es wird nicht nur kartiert, sondern es werden auch gefundene Vorkommen in Zusammenarbeit mit Landwirtschaftsbetrieben erhalten und gefördert. Landwirtschaftsbetriebe bewirtschaften die Ackerflächen im Rahmen von Produktionsintegrierter Kompensation (PIK) und künftig auch im Rahmen des kooperativen Naturschutzes in der Landwirtschaft schonend. Dabei sei die Stiftung Kulturlandschaft Partner und Berater der Landwirtschaftsbetriebe.

Antje Lorenz fügt hinzu: „Wir suchen weiterhin Landwirtinnen und Landwirte, die geeignete Ackerflächen extensiv bewirtschaften und gegebenenfalls auch für die Wiederansiedlung seltener Arten zur Verfügung stellen.“ Dabei widmen sich die Mitarbeiter der Stiftung besonders den vom Aussterben bedrohten oder stark gefährdeten Ackerwildkrautarten. Bereits in den vergangenen Jahren hat Matthias Stolle von „SaaleSaaten“ die Vermehrung von Ackerwildkrautsamen übernommen. Ein anderer wichtiger Partner ist der Botanische Garten der Universität Halle, der bei der Vermehrung sehr seltener Arten wertvolle Hilfe leistet.

Darum war dieser Tage Antje Lorenz unterwegs und sammelte am Rande eines großen Rapsschlages unter anderem Samen des vom Aussterben bedrohten Ackerkohls. Hier am Feldrand auf einem mageren Kalkscherbenboden gedeihen aber auch noch andere seltene Arten. Und jetzt nach der Blühte sind die Samen erntereif. Bewaffnet mit Tüchern, Papiertüten, Kartons und Strohhut geht sie den etwa 800 Meter langen, zwei Meter breiten Streifen in der prallen Sonne ab. Stunden verbringt die in die Arbeit vertiefte Frau in der Hocke oder auf Knien, um die wertvolle Saat an ihren verkrauteten Stengeln, oft mit Wurzel, zu bergen. Diese sollen im Botanischen Garten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ausgesät und vermehrt werden.

In einer kleinen Pause erzählt sie, warum Ackerwildkräuter es so schwer haben, warum viele stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind: „Die Populationen sind in den letzten Jahrzehnten sehr stark eingebrochen, denn die intensive Landwirtschaft vertragen sie einfach nicht. Gute Böden sind eben Produktionsflächen. Auch bei langjährigen Brachen verlieren wir die Arten. Unter diesen Bedingungen gewinnen die konkurrenzstärkeren, ausdauernden Arten. Extensive genutzte, wärmegetönte Lichtäcker wären gut.“

Nur gemeinsam kann man entscheiden

Für Antje Lorenz und ihre Kollegen von der Stiftung ist die Beratung der Landwirte wichtig. Nur gemeinsam könne man über die verschiedenen Biodiversitätsmaßnahmen entscheiden: Auf den hochproduktiven Schwarzerdeböden wäre ein Blühstreifen gut für Insekten, denn hier ist das Potenzial für Ackerwildkräuter geringer. Auf flachgründigen, wärmegetönten Äckern, an Kuppen oder auf Grenzertragsstandorten ist dagegen die Förderung von Ackerwildkräutern durch extensive Bewirtschaftung der Felder zielführend. Die Maßnahmen sollten möglichst langfristig angelegt sein und der Landwirt oder die Landwirtin können damit ja auch Geld verdienen.