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Puppenausstellung im Harzmuseum Ach, könnten sie doch sprechen ...

Von Michael Pieper 29.11.2011, 04:30

Alles begann 2010 mit einem Überraschungsfund. Im Archiv der Harzsparkasse tauchten bei Aufräumarbeiten wertvolle Puppen aus Schirgiswalde auf. Am Wochenende wurde eine Ausstellung mit den Sammlerstücken im Harzmuseum eröffnet.

Wernigerode l Ihr Lächeln hat sie sich trotz der harten Arbeit auf dem Hof bewahrt. Seit Jahrzehnten gehört eine blaue Latzhose und ein zerschlissenes Hemd zu ihrer Arbeitskleidung. Strähnen ihres langen braunen Haares fallen ihr ins Gesicht, während sie im Hühnerstall die Eier aus den Nestern nimmt. Ihr zur Seite der treusorgende Ehemann. Beide haben sich über ihr hartes Tagewerk nie beschwert - und das werden sie auch in Zukunft nicht. Selbst wenn die alten Gelenke manchmal knarcksen und zwicken. Der Lohn für ihre Mühen waren viele Jahre lang die erstaunten Blicke der Passanten - denn der "Hof" der zwei hölzernen Puppen aus Schirgiswalde war ein Schaufenster eines Handwerksbetriebes irgendwo zwischen Ostsee, Harz und Erzgebirge. Heute, 21Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR, ziehen die beiden noch immer die Blicke der Menschen an - seit dem Wochenende in einer Ausstellung im Wernigeröder Harzmuseum.

Die Geschichte hinter der Ausstellung liest sich wie ein Krimi: Im Frühjahr 2010 entdeckten Mitarbeiter der Harzsparkasse in einem Archiv eine Kiste mit zwölf 40bis 60Zentimeter großen Holzpuppen der Manufaktur "E.M.Köhler" aus Schirgiswalde - original verpackt und zum Stückpreis von 48,50DM ausgezeichnet. Bis heute kann niemand Auskunft geben, wie die Puppen im Archiv der Bank gelandet sind und wem sie gehörten. Die Harzsparkasse stiftete den Überraschungsfund dem Harzmuseum.

Leiterin Silvia Liswoski stieß bei Internetrecherchen auf eine Familie Löbmann aus der Geburtsstätte der Sammlerstücke in der Oberlausitz. Löbmanns besitzen selbst über 60 Andenken an die Arbeit der Firma E.M. Köhler. Die Idee, eine gemeinsame Weihnachtsausstellung in Wernigerode auf die Beine zu stellen, war geboren.

Kürzlich reiste das Ehepaar Andrea und Andreas Löbmann in Wernigerode an. Im Gepäck neben Tochter Caroline 62hölzerne Exemplare der Oberlausitzer Manufaktur. Mit Hilfe von Thomas Sommerfeld und dem Team des Harzmuseums wurden die Puppen in den Ausstellungsräumen zu Szenen drapiert und dekoriert.

Andreas Löbmann: "Die Firma E.M.Köhler stellte zwischen 1948 und 1964 diese Ausstellungsstücke in Schirgiswalde her. Sie dienten vor allem als Schaufenster-Deko für Handwerkssbetriebe und Verkaufsstellen." Halb Schirgiswalde sei damals an der Produktion beteiligt gewesen. Während die Männer im Werk Beine, Arme und Köpfe drechselten, verzierten die Frauen - oft in Heimarbeit - die Puppen mit Kleidung und bemalten die Gesichter. So wurde jedes Holzmännchen zu einem Unikat.

Die Sammelleidenschaft der Löbmanns habe mit einer geschenkten Puppe begonnen. Später kauften sie im Internet und auf Märkten weitere Exemplare an, "um die Tradition und damit ein Stück Schirgiswalder Geschichte zu bewahren". Andreas Löbmann stehe übrigens noch immer in Briefkontakt mit der letzten Frau des Firmengründers. "Wir haben ihr eine Postkarte von Wernigerode geschickt."

Die Ausstellung "Die Arbeitswelt der Puppen" zeigt noch bis zum 11.Februar das Handwerk aus Oberlausitz. Passend zur Vorweihnachtszeit ziert eine Krippe das Foyer - und auch einen Knecht Ruprecht können Besucher am Klint entdecken.