Heftige Debatte um Klassenstärken Ausnahmen machen Schule
Die Francke-Grundschule in Wernigerode kann sich vor Schülern kaum retten. Mit Ausnahmegenehmigungen lernen aber in Hasserode auch Kinder aus anderen Einzugsgebieten. Die Stadtverwaltung sieht darin eine Schwächung der anderen Grundschulen.
Wernigerode l In Wernigerode gibt es zu viele Ausnahmegenehmigungen für Grundschüler. Das kritisierte Sozialdezernent Andreas Heinrich am Montagabend in der Sitzung des Kulturausschusses. "Diese Ummeldungen, die Eltern für ihre Kinder beantragen, müssen ein Ende haben", forderte Heinrich und konstatierte, dass dadurch die Schülerzahlen in den städtischen Grundschulen aus dem Gleichgewicht geraten seien.
Besonders die Entwicklung an der Grundschule "August Hermann Francke" in Hasserode sei für die Stadtverwaltung besorgniserregend. Der Hintergrund: Im vergangenen Jahr hatten 22 Eltern eine Ausnahmegenehmigung beantragt, damit ihre Kinder diese Schule besuchen können, obwohl die Familien gar nicht im Einzugsgebiet wohnen.
Zum Vergleich: In der Stadtfeld-Grundschule und in der Grundschule Silstedt gab es keine Ausnahmen. Für die Diesterweg-Grundschule habe es elf und an der Grundschule Harzblick 15 Ausnahmegenehmigungen gegeben, teilte die Stadtverwaltung mit. Im Harzblick wurden die Genehmigungen allerdings erteilt, damit die 15 Kinder in der speziellen Fördergruppe für Leserechtschreibschwäche lernen können.
Die Francke-Grundschule bietet ebenfalls eine spezielle Förderung an, und zwar für hochbegabte Kinder. Von den 22 Mädchen und Jungen aus den anderen Schulbezirken waren höchstens fünf als hochbegabt eingestuft worden, wie Angelika Stary von der Stadtverwaltung mitteilte. Für das kommende Schuljahr liegen bereits 20 Ausnahmegenehmigungen für die nächste erste Klasse der Francke-Schule vor.
"Ich finde die Genehmigungen unsolidarisch vom Kultusministerium."
Linke-Stadtrat Thomas Schatz
Thomas Schatz (Linke) warnte die Mitglieder des Kulturausschusses davor, dass durch Ausnahmegenehmigungen die Mischung aus leistungsstarken und schwächeren Kindern an anderen Schulen in Wernigerode gefährdet sei. "Ich gewinne den Eindruck, dass sich hier eine bildungsbürgerliche Schicht ihre eigene Grundschule zurechtbastelt", so der Stadtrat. Andere Schulstandorte würden in den kommenden Jahren geschwächt. Schatz: "Ich finde es unsolidarisch vom Kultusministerium, dass so viele Ausnahmegenehmigungen erteilt werden."
Er und Angela Gorr (CDU) regten an, nach den Gründen für die vielen Ausnahmegenehmigungen zu suchen. "Ich bin außerdem für einen runden Tisch mit Vertretern von Schulen, Eltern, der Stadtverwaltung und Stadträten, an dem sich über die Zukunft der Grundschulen und Horte ausgetauscht wird", so die Landtagsabgeordnete. Cary Barner, Vorsitzende des Stadtelternrates, sagte ihr spontan ihre Unterstützung zu.
Die Ausnahmen genehmigt die Landesschulbehörde Sachsen-Anhalt. Auf Volksstimme-Nachfrage sagte Birgit Kayser, Referentin im Kultusministerium, dass sie sich bei der Bearbeitung der Anträge strikt an das Schulgesetz halte. Darin heißt es: "Die Schüler haben zur Erfüllung ihrer Schulpflicht die Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk sie wohnen." Sie lehne auch Anträge ab. "Wenn die Gründe nicht ausreichen, findet erst eine Anhörung der Eltern statt, bevor die endgültige Entscheidung fällt", so Birgit Kayser.
"Es wurden Proteste gegen abgelehnte Bescheide eingereicht."
Sozialdezernent Andreas Heinrich
Seit der Wende gibt es in Wernigerode Schulbezirke, erklärte Andreas Meling, Pressesprecher der Stadt. An der Francke-Schule zeige sich ein Trend: Durch die zusätzlichen Kinder aus anderen Schulbezirken werden in Hasserode künftig drei statt zuvor zwei Klassen pro Jahrgang unterrichtet.
Andreas Heinrich erklärte, dass die Stadtverwaltung die Zunahme an Ausnahmegenehmigungen im Dezember 2011 erstmals bewusst wahrgenommen habe. "Im Rathaus sind mehrfach Proteste von Eltern gegen abgelehnte Bescheide eingegangen." Der Sozialdezernent machte eindringlich darauf aufmerksam, dass die Verwaltung alle städtischen Grundschulen erhalten möchte und dies bei rückgehenden Geburtenzahlen immer schwieriger werde.