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Coronavirus Harzkreis vor Finanz-Katastrophe

Wegen der Corona-Krise kämpfen viele Harzer Städte und Gemeinden mit finanziellen Problemen.

Von Ivonne Sielaff 06.05.2020, 04:00

Harzkreis l Sinkende Steuereinnahmen, Totalausfälle bei der Kurtaxe, fehlende Eintrittsgelder und Gebühren. Die Corona-Krise trifft die Harzer Kommunen hart. Städte und Gemeinden rechnen mit Verlusten in Millionenhöhe. Sie stehen damit am Rand der Zahlungsunfähigkeit. Die einzelnen Kommunen gehen unterschiedlich mit den Finanzproblemen um.

Wie hoch die Einbußen für Halberstadt sind, lasse sich derzeit schwer einschätzen, sagt Rathaussprecherin Ute Huch. Allein die Gewerbe- steuereinnahmen würden in 2020 um 1,2 Millionen Euro sinken. Durch die Schließung städtischer Einrichtungen wie Museen, Bibliothek, Märkte und Tiergarten gehen weitere 60.000 Euro im Monat verloren. Dazu komme der Einbruch bei den Parkeinnahmen auf ein Viertel der ursprünglichen Summe, so Ute Huch. Zusätzliche Kosten würden durch die Anschaffung von Schutzausrüstungen, Desinfektionsmittel und für die Ermöglichung von Homeoffice anfallen. Um den drohenden Verlusten etwas entgegenzusetzen, werden in Halberstadt vorerst nur noch unabweisbare Ausgaben getätigt.

Wernigerode ist dabei schon einen Schritt weiter gegangen. Bereits Anfang April hat Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) die finanzielle Notbremse gezogen und eine Haushaltssperre verhängt. Bei geschätzten Verlusten von 12 Millionen Euro ein unausweichlicher Schritt. Wie das Wernigeröder Rathaus informiert, wird allein bei der Gewerbesteuer mit Verlusten von 5,3 Millionen Euro gerechnet. Weitere 3 Millionen Euro fehlen durch Einbußen bei den Gemeindeanteilen für Einkommens- und Umsatzsteuer. Die Verluste bei der Kurtaxe schlagen mit 1,3 Millionen Euro zu Buche, Gebühren und bei den sonstigen Erträgen mit weiteren 2,3 Millionen Euro. Durch die Haushaltssperre sei es gelungen, etwa 3,5 Millionen Euro bei den laufenden Kosten und geplanten Ausgaben zu sparen, informiert Rathaussprecher Tobias Kascha. So wurde unter anderem die Anschaffung von Sportgeräten, EDV-Software, Kitaeinrichtung und Feuerwehrausstattungen zurückgestellt.

Auch Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) hat eine Haushaltssperre erlassen. „Die Einnahmeverluste für 2020 inklusive der Eigenbetriebe werden vorsichtig mit 1,5 Millionen Euro beziffert“, informiert Breithaupts Sprecher Bennet Dörge. Die größten Posten seien die Verluste bei Gewerbe- und Vergnügungssteuer, Miet- und Pachteinnahmen, Eintrittsgeldern, Benutzungsgebühren, Kurtaxe und Souvenirverkäufen. Mit der Haushaltssperre könnten bei den laufenden Kosten und bei den Investitionen etwa 290.000 Euro aufgefangen werden. Dafür seien einige geplante Bauvorhaben ausgesetzt beziehungsweise zurückgestellt worden. „Alle bereits in den Vorjahren begonnenen Investitionsmaßnahmen werden jedoch planmäßig fortgesetzt“, versichert Dörge.

„Wir erwarten massive Einbrüche bei Gewerbesteuer, Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Kurtaxe“, heißt es von Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU). Thale befinde sich in der vorläufigen Haushaltsführung, weil der Etat noch nicht beschlossen ist. „Eine Haushaltssperre ist daher nicht nötig“, so Balcerowski. Es dürften ohnehin nur dringend notwendige Ausgaben getätigt werden. Möglichkeiten zur Konsolidierung sieht Balcerowski nicht. „Es bringt jetzt nichts, ein Freibad zu schließen. Die Verluste der Corona-Krise lassen sich nicht einfach wegsparen.“

In der Kreisverwaltung sind die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise ebenfalls zu spüren. „Bisher sind zusätzliche Kosten für Personalausstattungen in Höhe von etwa 950.000 Euro entstanden“, informiert Sprecherin Franziska Banse. Mit weiteren Verlusten werde durch die sinkende Kreisumlage gerechnet, da diese aus den Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden berechnet und bezahlt wird. Um den gebeutelten Kommunen unter die Arme zu greifen, könnte die Stundung der Kreisumlage kurzfristig ein Instrument sein. „Das hat aber Auswirkungen auf die Liquidität des Landkreises“, so Banse weiter.

Ein Ausgleich bei dem Umfang der Ausfälle sei ohne nachhaltige Hilfe für die Kommunen nicht möglich, schätzt man in der Kreisbehörde ein. „Weder Kassenkredite noch andere Hilfen, die zurückgezahlt werden müssen, lösen das Problem“, so die Sprecherin. Vielmehr sei nachhaltige Unterstützung durch Bedarfszuweisungen erforderlich, um einen echten finanziellen Schutzschirm für Kommunen organisieren zu können.

Die Harzer Kommunen sehen deshalb nun Land und Bund in der Pflicht. „Völlig zurecht werden jetzt Erwartungen der Wirtschaft an die Kommunen gerichtet, mit Investitionen in die öffentliche Infrastruktur für Aufträge und Umsätze zu sorgen“, so Halberstadts OB Andreas Henke (Linke). Voraussetzung seien aber ausgeglichene Haushalte. „Angesichts der einbrechenden Steuereinnahmen wird dies sehr schwierig werden.“ Bedarfszuweisungen seien hilfreich, um laufende Verwaltungstätigkeiten abzusichern, heißt es dazu aus dem Wernigeröder Rathaus. Blankenburg hält eine kurzfristige Soforthilfe für entstandene Finanzschäden sowie für dringende Anschaffungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für denkbar. Zudem eine Sonderhilfe für finanzschwache Kommunen, deren Haushalt durch die Krise aus dem Gleichgewicht gekommen ist.

Ohne finanzielle Hilfe zeichne sich für den Harzkreis eine Katastrophe ab, ist sich Thales Stadtchef Balcerowski sicher. „Wenn die Landesregierung nicht bis zum Sommer reagiert, droht allen Harzer Kommunen die Insolvenz. Dann sind alle Reserven aufgebraucht.“ Dann sei auch die allgemeine Daseinsfürsorge gefährdet mit Kinderbetreuung und vielem mehr. „Den Harzkreis, so wie wir ihn kennen, wird es dann nicht mehr geben.“

Osterwieck, Quedlinburg und Ilsenburg wurden ebenfalls von der Volksstimme angefragt. Sie haben sich beziehungsweise wollten sich nicht äußern.