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Corona-Krise Protest aus Glasmanufaktur Derenburg

Die 800-Quadratmeter-Regel für Sachsen-Anhalts Geschäfte steht in der Kritik. In der Glasmanufaktur fürchtet man Schaden für das Bundesland.

Von Jens Müller 26.04.2020, 01:01

Derenburg/Blankenburg l Erwartungsvoll hat Otto Sievers die Ankündigungen der Politik verfolgt, die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie etwas zu lockern. Denn bereits seit der Schließung der Glasmanufaktur „Harzkristall“ in Derenburg Ende März hatte der Geschäftsführer für jenen Tag X vorgesorgt, an dem eventuell ein Teil des Geschäftes oder gar der gesamte Verkauf hätte wieder anlaufen können. „Es ist alles da, um die Mitarbeiter und die Kunden vor einer Infektion zu schützen. Wir können alle geforderten Hygienevorschriften einhalten, mit Masken und Feuchtigkeitsschutz an den Kassen. Wir können problemlos die Kundenfrequenz über die Zahl der Einkaufskörbe steuern“, zählt Otto Sievers auf.

Da das angrenzende Café ohnehin geschlossen ist, hätte beispielsweise lediglich das hinter dem Verkaufsraum im Erdgeschoss liegende Weihnachtsland abgegrenzt werden müssen, um auf die von Bund und Land vorgeschlagenen 800 Quadratmeter Verkaufsfläche zu kommen. Möglich gewesen wäre auch eine Absperrung der oberen Etage. Bauzaun an die Treppe gestellt, Lift abgeschaltet, fertig.

Doch Sachsen-Anhalts Landesregierung schließt in ihrer jüngst veränderten Corona-Eindämmungsverordnung eine solche Reduzierung der Verkaufsfläche eindeutig aus. „Entscheidend ist dabei, welche Verkaufsfläche im jeweiligen Miet-, Pachtvertrag oder der jeweiligen Baugenehmigung angegeben ist. Eine eigenständige Verkleinerung der Verkaufsfläche durch Absperrungen o.ä. stellt keine zulässige Maßnahme zur Öffnung der jeweiligen Ladengeschäfte dar, da damit zusätzlich zur Sogwirkung der entsprechenden Geschäfte auch noch ein größerer Andrang und eine Verringerung der Verkehrsflächen durch Konzentration der angebotenen Waren im geöffneten Bereich zu befürchten ist“, heißt es im Wortlaut.

Ein Passus, den es so nur in Sachsen-Anhalt gibt. „Ich verstehe die Politik, besonders große Läden weiterhin geschlossen zu halten, um nicht unnötig die Gesamtfrequenz von Kunden in den Großstädten bzw. Einkaufsstraßen zu erhöhen und damit wieder das Risiko höherer Infektionsraten zu riskieren“, sagt Otto Sievers. Allerdings sei aus seiner Sicht gerade in Sachsen-Anhalt mehr Augenmaß gefragt - nicht zuletzt im Hinblick auf die territoriale Struktur. Bis auf zwei recht kleine Großstädte wie Halle und Magdeburg sei das Bundesland ländlich geprägt, ohne riesige Einkaufs-Malls und Einkaufsstraßen wie in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen. Doch gerade dort könnten nun große Märkte öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf die geforderten 800 Quadratmeter verringern. „Von der Definition her sind unsere Märkte deutlich schlechter gestellt. Und es ist bedenklich, wenn die ersten Händler anfangen, ihre Gleichstellung einzuklagen.“

Darüber hinaus, so Sievers, würden sich Kunden neue Einkaufswege erschließen. Das habe nicht zuletzt schon der Beginn der Corona-Krise gezeigt, als der Online-Handel einen weiteren Schub bekam. Nun machen sich Märkte beispielsweise im nahen Niedersachsen die 800-Quadratmeter-Regelung zu nutze. „Das ist eindeutig zum Nachteil der Händler in Sachsen-Anhalt“, macht Otto Sievers deutlich, der dringend eine praktikablere Lösung fordert.

Er sei allerdings auch soweit Realist, dass bei einer Öffnung der Glasmanufaktur nicht gleich ein Ansturm von Kunden zu erwarten sei. „Aber auch wir sind ein Wirtschaftsunternehmen. Wir müssen schauen, wie wir bestmöglich mit dieser Situation umgehen“, macht Sievers deutlich. „Selbst nur ein Bruchteil des früheren Umsatzes ist immer noch besser, als gar kein Umsatz“, sagt er. Und was nicht zu unterschätzen sei: „Wir halten den Kontakt zu unseren Kunden. Und unsere Kunden können dasselbe mit uns tun.“

Doch dieser direkte Kontakt steht aktuell in den Sternen: „Es ist nichts in Aussicht gestellt, ob und wann wir wieder öffnen dürfen.“ Deshalb hofft er auf ein Einlenken der Politik. Wie Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) in seiner wöchentlichen Videokonferenz am Donnerstag mit Unternehmern der Stadt erklärte, hat er dieses Problem bereits mit Landrat Martin Skiebe (CDU) und dem Städte- und Gemeindebund erörtert.

Er habe darum gebeten, sich dafür einzusetzen, dass der Fokus auf die Einhaltung von Hygienevorschriften und Abstandsregelungen gelegt werde. „Die alleinige Abstellung auf die Verkaufsfläche ist nicht sinnvoll“, macht auch das Stadtoberhaupt deutlich.