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CoronavirusDDR-Leberkäse gegen die Krise

Ein Lichtblick: der Verkaufswagen der Wienröder Fleischerei Eisert. Dort gibts nicht nur Wurst und Fleisch, sondern auch nette Gespräche.

Von Jens Müller 07.05.2020, 11:48

Wienrode l „Hallo Herr Wilke, was möchten wir denn heute?“ Wenn Jutta Eisenhuth ihre Kunden begrüßt, schwingt immer eine Vertrautheit mit, als wenn sie jeden schon seit Jahrzehnten kennen würde. Bei manchen stimmt es sogar. Denn die Hasselfelderin hat ihren Beruf von der Pike auf gelernt. Seit 1967 ist sie Fleischverkäuferin. Und das immer noch, obwohl sie schon längst im Rentenalter ist. „Ich brauche einfach den Kontakt mit den Menschen“, sagt sie. Und so musste sie nicht erst überredet werden, als Fleischermeister Michael Eisert sie vor drei Jahren fragte, ob sie nicht in seinem Verkaufswagen über Land fahren wolle. „Nur die Fahrerlaubnis wollte ich nicht mehr machen“, sagt Jutta Eisenhuth schmunzelnd. So hat sie seither sozusagen einen eigenen Chauffeur. Für ihren Chef ist sie die „gute Seele“ des Geschäftes: „Was besseres konnte uns nicht passieren“, sagt Micheal Eisert. „Egal, wo wir hingefahren sind, ob zum Bauernmarkt am Rammelburg-Blick oder nach Aschersleben: Sie stand morgens um 7 Uhr mit Kaffee und Kuchen schon vor der Tür und hat auf uns gewartet“, schwärmt er, ohne jedoch Elke Gropp zu vergessen. Sie hält die Stellung in der Wienröder Verkaufsstelle: „Eigentlich müsste man beide klonen“, scherzt er.

Doch selbst in Zeiten von Corona steht sein rollender Tresen nicht still. „Wir wollen gerade in diesen Zeiten die Versorgung nicht zuletzt in den kleinen Harzorten sicherstellen“, sagt Eisert. So stoppt sein Wagen nicht nur wie eh und je in Hasselfelde, sondern seit dieser Woche auch in Trautenstein und Stiege. Dafür hat er sogar extra einen weiteren Mitarbeiter eingestellt. „Damit garantieren wir die Versorgung der Menschen vor Ort mit traditionellen Fleisch- und Wurstwaren“, so Eisert, der auch weitere Kommunen aufruft, ihm Stellplätze anzubieten. „Wir sind immer offen für Ideen.“

Eisert ist in der Branche groß geworden. „Eigentlich wollte ich ja Kybernetik studieren, doch mein Vater hat gesagt: ,Kybernetik kriegste bei mir ‘ne Etage tiefer.‘ Da war die Idee innerhalb von fünf Minuten vom Tisch“, erinnert sich Eisert noch immer an jenes Gespräch. Und so wurde er Ingenieur für Fleischwirtschaft und trat nicht nur in die Fußstapfen seines Vaters, der noch in Breslau gelernt hat. „1923 hatte mein Großvater in Stolp in Pommern bereits eine Fleischerei“, erzählt Michael Eisert voller Stolz, der noch bis 1995 Betriebsleiter der Hasselfelder Fleisch- und Wurstwaren war und 1996 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Vor dreieinhalb Jahren zog er schließlich mit seinem Betrieb „Oberharzer Wurst & Wild“ aus Trautenstein nach Wienrode um. Im Blankenburger Ortsteil wurde die leerstehende Fleischerei an der Harzstraße wiederbelebt, in Verkaufsraum, moderne Räucher- und Kühlkammern investiert. Diese Entscheidung machte ihm vor allem sein Sohn Martin leicht. Der gelernte Landwirt hatte sich nämlich für einen Neubeginn entschlossen. Es verwundert nicht, dass er sich für eine Ausbildung zum Metzger entschieden hat. „Er hat mit sehr guten Noten abgeschlossen und besucht jetzt die Meisterschule“, sagt Michael Eisert. Das Ziel: „Er wird den Betrieb übernehmen - dann bereits in fünfter Generation.“

Das ist aber nicht die einzige Tradition, die damit fortgeführt werden soll: Mit seinem Gewürzhändler aus dem thüringischen Ohrdruf arbeite Eisert seit nunmehr 30 Jahren zusammen. Und wie der Firmenname verrät, wird in Wienrode auch viel Harzer Wild verarbeitet - aus dem nahegelegenen Hasselfelder Revier. Eisert: „Mehr Bio geht nicht.“