1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Frühlingserwachen im Klostergrund

Coronavirus Frühlingserwachen im Klostergrund

Nach der Absage der geplanten Frühblüher-Wanderung bringt die Volksstimme die Naturschönheiten aus dem Klostergrund den Lesern nach Hause.

Von Jens Müller 06.04.2020, 01:01

Blankenburg l „Sobald die ersten kräftigen Sonnenstrahlen auf den Waldboden gelangen, versinkt die Krautschicht in einem Meer aus Frühjahrsgeophyten“, hieß es in der Einladung zur ersten Frühblüherwanderung der Stiftung Umwelt-, Natur- und Klimaschutz Sachsen-Anhalt (SUNK), die rund um Blankenburg ein einzigartiges Naturreservoir bewirtschaftet. Gemeinsam mit der Harzer Wandernadel, dem Harzklub und der Stadtverwaltung sollten allen Naturliebhabern die Blütenpracht im Klostergrund näher gebracht werden. Die Corona-Pandemie machte der Tour einen Strich durch die Rechnung. Doch während das Virus das Miteinander der Menschen gehörig einschränkt, grünt und blüht es um sie herum.

Eine besondere Lebensform unter den Frühblühern stellen die sogenannten Frühjahrs-Geophyten dar. Sie treiben besonders früh im Jahr aus und blühen noch ehe sich das dichte Blätterdach der Laubwälder schließt und nutzen in dieser Zeit die Ressource Licht zur Photosynthese. In dieser Zeit lagern sie möglichst viele Speicherstoffe in unterirdische Überdauerungsorgane ein - zum Beispiel Knollen. Danach welken die oberirdischen Pflanzenteile und verschwinden alsbald. Die Pflanze überdauert dann bis zum nächsten Frühjahr unter der Erdoberfläche.

Zunächst treffen wir zu Beginn der geplanten Wanderroute aber auf eine üppige Forsythie, die hinter dem „Schafstall“ des Klosters Michaelstein ihre kräftigen gelben Blüten in die Sonne reckt. Auf der Wiese in Richtung des ausgeschilderten Panoramawanderweges begegnen dem Spaziergänger außerdem die gelben Blüten des Scharbockskrauts, auf denen sich bereits Bienen niederlassen, um Pollen zu sammeln. Weiter geht es auf einem Pfad rechts neben den Teichen des Michaelsteiner Klosterfischers entlang. Links und rechts des Weges riecht es immer wieder mal mehr, mal weniger streng. Es ist Bärlauchzeit. Und trotz Corona zieht es vereinzelt Kenner dieser Pflanze hinaus in die Natur, um sie zu ernten und später zu leckerem Pesto zu verarbeiten.

Doch immer wieder fallen die weiß blühenden Buschwindröschen ins Auge, die in ihrem kräftig grünen Blätterbett einen schönen Farbtupfer zum graubraunen Buchenlaub bilden, das das Gelände links und rechts des

Gold- und Klostergrundbaches prägt. Entlang der Bachläufe ziert kräftig grünes Moos die eine oder andere Wurzel. Hier und da lugt ein neuer Buchenkeimling aus dem Boden. Und immer wieder säumen kleine Inseln von Buschwindröschen, Scharbockskraut, Märzveilchen und Hohlem Lerchensporn den Weg.

Der weitestgehend unzerschnittene Naturerbewald der SUNK bei Blankenburg ist mehr als 2000 Hektar groß. Bis in die 2000er Jahre hinein wurde das Gebiet forstwirtschaftlich genutzt. Mitte des 20. Jahrhunderts endete die lange bergbauliche Nutzung unter dem Naturerbewald. Heute wird der Natur hier weitestgehend freien Lauf gelassen.

Nadelholzbestände machen 20 Prozent des gesamten Waldes aus. Die restliche Bestockung setzt sich aus verschiedenen Laubwaldgesellschaften zusammen. Besonders dominieren mit insgesamt 60 Prozent naturnahe Waldmeister- und Hainsimsen-Buchenwälder. Über ein Drittel der Buchenbestände beherbergen 120- bis 160-jährige Altbäume. Bemerkenswert sind die wärmeliebenden Eichen-Trockenwälder auf schlechter mit Wasser versorgten Standorten. Typischerweise sind diese eigentlich in Gefilden an der nördlichen Grenze des Mittelmeergebietes anzutreffen. Sie stellen in Mitteleuropa häufig Relikte einer nacheiszeitlichen Wärmezeit dar.

Das Hauptziel im Naturerbewald besteht im Prozessschutz. Ohne Eingriffe durch den Menschen zu erfahren, dürfen Bäume alt werden, absterben und zuletzt verfallen. Das daraus entstehende Alt- und Totholz bietet vielen Arten, wie Spechten, Fledermäusen und Käfern, Unterschlupf. Zur Förderung der natürlich vorkommenden Baumarten werden sukzessiv standortfremde Baumarten entnommen.

Übrigens: Gemäß Bundesnaturschutzgesetz dürfen Pflanzen nur in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf gesammelt werden. Gewerbliches Sammeln bedarf der Genehmigung durch Eigentümer und Naturschutzbehörde! Andernfalls wird eine Ordnungswidrigkeit begangen.