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Demografie Wernigerode wächst gegen den Trend

Immer mehr Menschen wollen in Wernigerode wohnen. Die Stadt widersteht dem Demografie-Trend, was die Stadtplaner herausfordert.

Von Julia Bruns 02.03.2018, 00:01

Wernigerode l Wernigerode, die Insel der Glückseligen: Aus Sicht des Stadtplanungsamtes kann es gar keine andere Erklärung für den Trend geben, der in der Stadt seit etwa 2010 herrscht. Menschen aus dem ganz Mitteldeutschland drängen in die Stadt, die Folge: Bauland, Häuser und Wohnungen werden knapp, Mieten steigen. „Die naturräumliche Lage der Stadt ist sehr attraktiv“, sagt der Wernigeröder Stadtplaner Michael Zagrodnik. „Außerdem bietet Wernigerode als Mittelzentrum eine gute Versorgungsstruktur mit Ärzten und Kulturangeboten.“ So erklärt er den Trend, der der aktuellen demografischen Prognose des Statistischen Landesamts widerspricht. Diese geht von einem Rückgang der Bevölkerung um mehr als 13 Prozent bis 2030 aus.

Eine wichtige Informationsquelle für die Stadtplaner sind die Daten aus dem Einwohnermeldeamt. „Wir haben entgegen aller Vorhersagen seit Jahren eine konstante Geburtenrate in Wernigerode“, sagt Zagrodnik. „Wir hatten Prognosen, dass die Anzahl der Geburten stark zurückgehen würde, deshalb wurden alle Kindertagesstätten an der Obergrenze der Belastung gefahren, waren also voll ausgelastet.“

Nun, da die Realität die Statistik überholt hat, müsse Abhilfe geschaffen werden. Eine Kindertagesstätte soll in Hasserode entstehen, die Ausschreibung für freie Träger ist in Arbeit. „Es ist immer schöner, eine neue Kita zu bauen, als eine zu schließen. Und wir gehen davon aus, dass die Geburtenrate in den nächsten fünf Jahren unverändert bleibt, sagt Michael Zagrodnik. Er könne nicht ausschließen, dass eine zusätzliche Schule gebraucht wird.

Nicht allein die konstanten Geburtenzahlen machen Wernigerode zu einem Exoten im Harzkreis: Betrachtet man allein die Differenz zwischen Geburtenzahlen und Sterbefällen, müsste Wernigerode Jahr für Jahr mehr als 200 Einwohner verlieren, 2017 wären es im Vergleich zu 2016 238 Einwohner weniger gewesen. „Doch in der Realität sind es gerade einmal 53 Einwohner, die die Stadt verloren hat“, sagt Michael Zagrodnik.

Seine Schlussfolgerung: „Etwa 180 Menschen ziehen zu.“ Diesen positiven Trend wolle man fortsetzen. „Es ist allerdings eine Herausforderung, dem Bedarf an Wohnflächen nachzukommen“, sagt er.

Derzeit seien Bebauungspläne in Arbeit, um Wohnungsbau und Einfamilienhäuser zu ermöglichen. Allein durch diese Immobilien kann mit 600 neuen Einwohnern gerechnet werden.

„In den letzten neun Jahren ist der Wohnungsbau unwahrscheinlich vorangetrieben worden“, sagt er. Ihn wundere es, dass noch immer ein Boom auf dem Immobilienmarkt herrsche – ganz im Gegensatz zu anderen Kommunen im Harz, für die die Bevölkerungsprognosen des Statistischen Landesamtes zutreffen. „Die Nachfrage nach Bauland ist nach wie vor enorm in Wernigerode“, sagt Zagrodnik. Dabei würden weniger Interessenten von außerhalb, sondern vor allem Menschen, die bereits in der Stadt wohnen, nach Baugrundstücken suchen. Eine Folge, so Zagrodnik, seien steigende Grundstückspreise. Er berichtet von Bauland, das weit über 250 Euro pro Quadratmeter kostet.

Unter den Zugezogenen fänden sich aber auch viele junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren. „Studenten“, sagt der Architekt. „Und die Altersgruppe der ab 60-Jährigen. Rentner wollen wieder zurück nach Wernigerode kehren, nachdem sie ihr Arbeitsleben woanders verbracht haben.“ Viele Senioren wenden sich an das Stadtplanungsamt, auf der Suche nach Wohnraum in Wernigerode, der allerdings immer knapper wird.

„Häufig werden Mietwohnungen zu Ferienwohnungen umgenutzt“, sagt Michael Zagrodnik. Zudem ist der Bedarf an größeren Wohnungen gestiegen. „Heute rechnen wir mit 40 Quadratmetern pro Person, vor 20 Jahren noch lag der Bedarf bei 20 Quadratemtern pro Person.“ Diese gehobenen Ansprüche an die Größe der Objekte verschärfe die Situation auf dem Immobilienmarkt zusätzlich. „Und die Mieten werden durch die größeren Wohnungen natürlich auch immer teurer.“

Michael Zagrodnik ist einer von zwölf Mitarbeitern im Amt für Stadtplanung im Neuen Rathaus. Im Jahr bearbeiten sie etwa 220 bis 250 Bauvoranfragen zu unterschiedlichsten Themen, von Fassadenänderungen im Sanierungsgebiet bis hin zum Raumordnungsverfahren am Kleinen Winterberg in Schierke.