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Handwerk Die Ilsenburger Registrierkasse, die fast jede Währung kennt

Sie wird immer noch genutzt – die 90 Jahre alte Registrierkasse bei Schuhmachermeister Hoppe. Sie hat drei Generationen und noch mehr Währungsumstellungen überstanden.

Von Jörg Niemann 11.08.2021, 10:30
Hermann Hoppe und seine Frau Hannelore an der 90 Jahre alten Registrierkasse. Mit 82 Lebensjahren denkt der Schuhmachemeister selbst ans Aufhören, hat aber noch ein Ziel: den diamantenen Meisterbrief.
Hermann Hoppe und seine Frau Hannelore an der 90 Jahre alten Registrierkasse. Mit 82 Lebensjahren denkt der Schuhmachemeister selbst ans Aufhören, hat aber noch ein Ziel: den diamantenen Meisterbrief. Foto: Jörg Niemann

Ilsenburg - Sie ist der Blickfang für jeden, der das Ladengeschäft von Schuhmachermeister Hermann Hoppe in Ilsenburg betritt. Die Rede ist von einer uralten Registrierkasse der Marke „National“. „Mein Großvater hat sie im Jahr 1931 gekauft“, sagt Hermann Hoppe und tritt sofort den Beweis an. Ein immer noch lesbarer Aufkleber mit dem Kaufdatum befindet sich unter der Geldlade. Damals florierte das Geschäft noch. „Nachdem mein Großvater aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war, machte er sich als Schuhmacher selbstständig. Ähnlich war es nach dem Zweiten Weltkrieg, in den mein Vater eingezogen wurde. Als dieser Krieg beendet war, übernahm er das Geschäft. 1976 war ich dann an der Reihe“, sagt Hermann Hoppe, der im Jahr 1967 seinen Meisterbrief im Schuhmacherhandwerk erwarb. Er weiß auch zu würdigen, dass es keines Weltkrieges bedurfte, um die dritte Schuhmachertradition in Ilsenburg aufrecht zu erhalten.

Wegwerfen statt reparieren

Fakt ist allerdings auch: Eine vierte Generation wird es in der Schuhmacherfamilie Hoppe nicht geben. Der Beruf ist der Wegwerfgesellschaft zum Opfer gefallen. „Geht heute etwas am Schuhwerk kaputt, werden die Schuhe einfach weggeworfen. Bei den meisten Schuhen ist eine Reparatur ohnehin kaum noch möglich, denn sie werden in irgendwelchen Billiglohnländern zusammengezimmert. Das hat nichts mehr mit Handwerk zu tun, das ist einfach nur noch Massenproduktion“, sagt Hoppe, der als langjähriger Unternehmer auch weiß, dass eine Reparatur teurer wäre als der Neukauf von Schuhen.

Und so ist auch die Registrierkasse fast nur noch Schmuck im Ladengeschäft, denn Schuhe werden kaum noch zur Reparatur gebracht. Stattdessen hat sich das Geschäft von Hermann Hoppe zur „Nachrichtenzentrale“ der Stadt entwickelt. Was andernorts der Friseur ist, ist in Ilsenburg der Laden von Hermann Hoppe. Dass man den Meister und seine Frau Hannelore allein im Laden antrifft, ist sehr selten. Meist ist irgendjemand auf einen Schwatz im Laden, denn Interessantes gibt es in Ilsenburg immer zu berichten. Und wer gerade keine Zeit für ein Schwätzchen hat, dennoch aber an Schuster Hoppes Geschäft vorbeikommt, der ruft zumindest ein freundlichen „Hallo“ hinein, denn außer in der Mittagspause steht die Ladentür zumindest bei schönem Wetter stets offen.

Kaufangebot abgelehnt

Die historische Ladenkasse – sie könnte einer der ältesten in ganz Deutschland sein – hat im Laden der Schuhmacherfamilie schon eine Menge erlebt – vor allem die unterschiedlichsten Währungen. Reichsmark, dann nach dem Krieg erst die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (1948-1964), die Mark der Deutschen Notenbank (1964-1967), dann die Mark der DDR (1968 bis 1990) bis zur Deutschen Mark (1990-2001) und schließlich der Euro von 2002 bis heute – die Registrierkasse von Hermann Hoppe hat sie alle verwaltet – und überstanden. Und egal, wie die Mark im Detail hieß, am Dezimalsystem rüttelte niemand, so dass die Kasse in all den 90 Jahren genutzt werden konnte.

Heute ist die Kasse eher Schmuck als tatsächlicher Geldwechsler. Aber sie erweckt mitunter Interesse. „Vor einigen Monaten kam ein Mann aus Berlin, der die Kasse unbedingt kaufen wollte. Es stellte sich heraus, dass er ein Nachfahre der Hersteller war, von denen die Kasse stammte. Sein Kaufangebot haben wir aber abgelehnt, denn die Erinnerungen sind uns mehr wert“, sagt Hermann Hoppe auch im Namen seiner Frau.

Andere Berufswahl

Wie lange der heute 82-jährige Schuhmachermeister noch in seinem Laden steht, das ließ er offen. Denn auch in seinem stolzen Alter hat er noch ein Ziel – den diamantenen Meisterbrief der Handwerkskammer. „Der Präsentkorb dazu ist mir egal, aber die Urkunde, das wäre schon was und ein krönender Abschluss der Familientradition“, sagt Hoppe und verweist darauf, dass es keine vierte Schuhmachergeneration in Ilsenburg geben wird. Sein Sohn hat einen anderen beruflichen Werdegang eingeschlagen. Eine richtige Entscheidung wie sich heute zeige, da das Schuhmacherhandwerk kaum noch gefragt ist.

Damit hat sich auch Hermann Hoppe abgefunden. „Ja, ich denke ernsthaft darüber nach, den Laden endgültig zu schließen, denn ich werde ja auch nicht jünger“, bekennt er gegenüber der Volksstimme. Doch Bekenntnis hin oder her, wer Hermann Hoppe und seine Frau Hannelore kennt, der weiß, dass der tägliche Gang in den Laden zu ihrem Leben gehört und die beiden letztlich auch jung und geistig fit gehalten hat.

So würde es niemanden wundern, wenn zumindest noch die diamantene Meisterurkunde im Jahr 2027 an den Meister übergeben werden könnte. Möglicherweise dann auch am allerletzten Tag der Hoppeschen Schuhmacherdynastie in Ilsenburg, die schon jetzt älter als stolze 100 Jahre alt ist.