Digitalpakt Hoffen auf WLAN und Co.

Die Volksstimme hat sich an drei Schulen im Harzkreis umgehört, was die Leiter sich vom Digitalpakt versprechen.

31.03.2019, 07:00

Harzkreis l „Endlich“ sagen die einen, „aber“ die anderen. Der „DigitalPakt Schule“ ist im Januar vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beschlossen worden. Milliarden von Euros sollen in die landesweite Ausstattung der Schulen mit Internet und Smartboards fließen. Was auf den ersten Blick vielversprechend klingt, bedarf einer kritischen Betrachtung. Gehört der Unterricht mit Tafel und Kreide bald der Vergangenheit an?
Die Volksstimme hat in verschiedenen Schulformen Schulleiter im ganzen Harz gefragt: Was setzen Sie auf Ihre Wunschliste? „Es muss eine Grundausstattung in den Klassenräumen her“, sagt Andrea Fellbaum von der Ganztagssekundarschule „Freiherr Spiegel“ in Halberstadt. „Präsentationsflächen, interaktive Whiteboards“, zählt sie auf. Bisher verfügt ihre Schule über zwei Whiteboards. „Wir hatten das Glück, dass die Schule 2007 komplett saniert wurde. Dadurch haben wir auch zwei relativ neue PC-Kabinette, in denen immer zwei Schüler an einem PC arbeiten können.“ Sie betone aber ganz bewusst „relativ neu“, denn, so Andrea Fellbaum: „Die Software und die Hardware sind veraltet.“
Weiter wünsche sie sich mehrere Klassensätze an Tablet-PCs mitsamt Lernsoftware. „Viele Schulbücher sind methodisch nicht auf dem neusten Stand. Das Lehrbuch nutzen viele Kollegen immer seltener“, so die 57-Jährige. „Ich denke dennoch, dass das Buch nicht ersetzt werden kann, kann mir aber einen Mix aus beidem gut vorstellen.“ Das, was per Hand aufgeschrieben wurde, kann man sich besser merken, erläutert sie.
Im Gerhart-Hauptmann-Gymnasium (GHG) in Wernigerode sieht der Einkaufszettel ähnlich aus. „Die berühmte Laptop-Klasse gibt es bei uns noch nicht“, sagt Direktor Raimund Witte. „Erst einmal müsste jeder Raum eine Grundausstattung erhalten, um den Unterricht modern umzusetzen. Es ist durchaus möglich, in punkto Digitalisierung in der Schule eine großen Sprung nach vorne zu machen, wenn nur die richtige Technik da ist“, sagt er überzeugt. „Dazu gehört auch der Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz.“ Beide Schulgebäude der Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums verfügten nur über lahmes Internet. WLAN kann zwar in bestimmten Bereichen von Lehrern genutzt werden, ist aber nicht so schnell wie nötig und nicht in allen Unterrichtsräumen verfügbar. Im Zuge der Sanierung, die das GHG in den nächsten Monaten und Jahren umsetzt, werde auch an die Integration digitaler Technik und Netzwerke gedacht.
In der Albert-Schweitzer-Grundschule in Stapelburg hat Schulleiterin Christa Wernick genaue Vorstellungen darüber, was sie sich für ihre Einrichtung vom Digitalpalt verspricht. „Ich, als gestandene Unterschullehrerin aus tiefsten DDR-Zeiten, würde mich freuen, wenn wir pro Klasse zwei Laptops erhalten“, sagt sie. Ihr fehle häufig die Möglichkeit, den Kindern etwas spontan zu zeigen. Doch dafür bräuchte sie erst einmal einen schnellen Internetanschluss. „Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Abc der Tiere. Wir sprechen über Kinder, die in fernen Ländern leben, über Rittersagen und vieles mehr. Die Lehrer könnten vieles anschaulich machen, schnell mal was zeigen, ein Video oder ein Bild.“ Dafür bedürfe es jedoch noch einer grundlegenden Neuerung: „Wir brauchen WLAN. Jede Feuerwehr hat ein internes WLAN, aber die Grundschule in Stapelburg nicht.“
Von ganzen Klassensätzen mit Tablets hält sie persönlich nichts. „Die Kinder sollen erst einmal mit Bleistift und Füller auf Papier ordentlich schreiben lernen.“ Im Gebäude gelte generelles Handyverbot. „Es sind Kinder. Das darf man nicht vergessen“, sagt sie. Zwischen dem Wunsch, den Nachwuchs digital fit zu machen, und dem Schutz der Kinder müsse ein Gleichgewicht gefunden werden.
Problematisch sei die ständige Wartung digitaler Systeme und Netzwerke an Schulen. „Als Administrator müssten wir jemanden von außerhalb kontaktieren“, sagt Christa Wernick. Schließlich gebe es an einer Grundschule noch kein Informatik – anders als am Gymnasium. „Wir haben Leute, die immer zur Stelle sind“, berichtet Raimund Witte. Vier Kollegen arbeiten intensiv mit digitaler Technik, einer von ihnen habe den sprichwörtlichen Hut auf. Sie hätten sich allesamt während ihres Berfuslebens für das Fach Informatik qualifiziert, denn Informatiklehrer nach dem Studium anzuwerben, sei ein schwieriges Unterfangen. Selbst an seiner vorherigen Schule, einem Europagymnasium, in Magdeburg sei es trotz des attraktiven Arbeitsplatzes nicht geglückt, einen solchen zu bekommen.
In Halberstadt an der Ganztagssekundarschule unterrichtet kein Informatiklehrer, der im Ernstfall helfen könnte. „An Sekundarschulen gibt es zwar Techniklehrer, aber dieser ist vom Profil her eher wie früher ein Lehrer für Werkunterricht“, erklärt Andrea Fellbaum, Vorgesetzte für 24 Lehrer. „Der Techniklehrer müsste schon ein ausgeprägtes Faible für Digitaltechnik haben, um bei ernsthaften Problemen mit dem Netzwerk helfen zu können.“
Der Altersdurchschnitt der Kollegen liege bei über 50 Jahren, berichtet sie. „Wir haben einige ganz junge Lehrkräfte, die dem Thema ganz offen gegenüber stehen, und viele ältere Kollegen – das Mittelfeld fehlt.“ Die älteren Kollegen hätten an Fortbildungen in ihrer Freizeit teilnehmen müssen, um den Anschluss nicht zu verpassen. „Die Ablehnung ist relativ hoch. Sie kennen digitale Technik meist nur aus dem Privatgebrauch.“ Im Unterricht werde schon ab und an das Smartphone genutzt. „Zum Beispiel eine Sprach-App oder wenn Musik abgespielt werden soll. Es darf auch gefilmt werden, wenn es die Situation ergibt.“
Sie sei, so berichtet Andrea Fellbaum, selbst vor einigen Jahren noch im Landesinstitut für Fortbildung (LISA) in der Weiterbildung für Gymnasial- und Sekundarschullehrer tätig gewesen. „Allerdings war Digitalisierung bis 2002 noch kein Thema“, sagt sie.
Anfang der 1990er Jahre hätten sich viele Kollegen auf eigene Kosten weitergebildet, um fit am PC zu werden. „In der Gorki-Grundschule in Wernigerode haben wir Lehrer damals gebrauchte PCs gekauft und auf Eigeninitiative ein Computer-Kabinett aufgebaut“, sagt sie rückblickend. „Die wurden leider immer wieder geklaut, sodass wir sie irgendwann mit den Schülern angemalt haben, um sie zu identifizieren.“
Sie sieht es als ganz wichtig an, dass Referenten an die Schulen kommen, um die Lehrer fortzubilden. „Ich kann aber niemanden verpflichten. Gerade von den älteren Kollegen, die kurz vor der Rente stehen, kann man nicht erwarten, sich noch auf das digitale Zeitalter einzulassen“, betont sie. „Es gibt Lehrer, die es einfach nicht können.“Kommentar