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Mitglieder der Selbsthilfegruppe für Beinamputierte probieren sich auf dem Drahtesel aus Fahrradfahren - so wie im normalen Leben

Von Uljana Klein 05.10.2013, 01:08

Die Harzer Selbsthilfegruppe für Beinamputierte hat sich jetzt im Blankenburger Ortsteil Oesig zu einem besonderen Termin getroffen: Die Mitglieder sind nach vielen Jahren wieder einmal mit einem Fahrrad gefahren.

Blankenburg l Rund ein Dutzend Beinamputierter zwischen 45 und 79 Jahren ist gemeinsam mit Angehörigen aus dem ganzen Harz angereist, um wieder einmal einen Drahtesel zu lenken.

"Ich bin fünf Jahre nicht Fahrrad gefahren, früher war ich viel damit unterwegs. Endlich wieder auf einem Fahrrad gesessen zu haben, ist ein Stückchen alte Normalität", sagt Birgit Kumpf aus Blankenburg, die Leiterin der Harzer Gruppe, begeistert. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Selbsthilfegruppe für Beinamputierte hat die aktive Frau, der vor fünf Jahren nach einem Verkehrsunfall das linke Bein abgenommen werden musste, jetzt im Blankenburger Ortsteil Oesig das Radfahren ausprobiert.

Begleitet worden sind die Beinamputierten dabei durch Zweiradmechanikermeister Ekkehard Lück von Rad Tat Blankenburg und Orthopädietechniker Daniel Kanschat vom FFB-Sanitätshaus Quedlinburg. Lück hatte eigens für den Termin eine spezielle Fußschale gebaut, die individuell auf die Beinprothesen eingestellt werden kann. "Ich habe einen Tag lang an der Herstellung der Schale gearbeitet. Meine Neugierde auf Neues und der Wunsch der Selbsthilfegruppe waren für mich die besondere Herausforderung", betont Ekkehard Lück.

Daniel Kanschat ergänzt: "Die Amputierten auch bei Freizeitaktivitäten zu begleiten und mitzuerleben, dass man trotz Amputation am Leben teilhaben kann, ist der schönste Dank für meine Arbeit."

"Die Beinprothese ist gefühllos, dadurch rutscht der Fuß bei normalen Pedalen weg. Vor allem beim Anhalten wird es mit dem Fahrrad dann schwierig. Hinzu kommt, dass es auch eine Kopfsache ist, sich das Radfahren mit nur einem Bein wieder zuzutrauen", erklärte Birgit Kumpf die spezielle Situation der Beinamputierten. Die Blankenburgerin fügt hinzu: "Ich möchte so weit wie möglich das machen, was ich früher konnte." Auch Mathias Rohrbeck aus Schwanebeck war zu der Schnupperstunde gekommen, um sich ans Radfahren heranzutasten. "Ich bin seit 2011 amputiert und seither nicht mehr Rad gefahren. Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken." Ähnlich erging es auch Michael Warnecke aus Liebenburg, den sogar seine Frau Iris zu dem Termin nach Blankenburg begleitete: "Das Gefühl, nach langer Zeit wieder auf dem Rad zu sitzen, kann man nicht beschreiben. Bei mir sind es sechs Jahre, die ich kein Fahrrad fuhr." Und Iris Warnecke freute sich über den neuerlichen Fortschritt ihres Mannes. "Es ist schön, wenn es wieder vorwärts geht." Siegwart Werth, Vize-Leiter der Selbsthilfegruppe, betonte: "Wir wollen kein Mitleid, wir wissen, was wir können und wo unsere Grenzen sind."

Vor drei Jahren gründete Birgit Kumpf die Selbsthilfegruppe für Beinamputierte aus dem Harz. "Wir tauschen uns in den monatlichen Treffen zu unseren Sorgen und Nöten aus und laden auch Referenten zu Fachthemen ein", erklärt die Blankenburgerin. Neue Mitglieder sind in der Gruppe jederzeit gern gesehen.

Weitere Informationen unter: www.selbsthilfegruppe-beinamputierter-harz.de"