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Energie Grüner Strom dominiert Harzkreis die Netze

Die Kommunen auch des Harzkreises werden weiterhin von den Dividendenzahlungen des Energienetzbetreibers Avacon AG profitieren. Das Helmstedter Unternehmen gab die neuesten Geschäftszahlen bekannt.

Von Mario Heinicke 13.05.2021, 10:56
Windräder und  eine Hochspannungsleitung bei Schwanebeck im Norden des Harzkreises. Mehr als 64 000 Kilometer beträgt die Länge der Stromnetze der Avacon AG, in denen auch der im Norden Deutschlands erzeugte Windstrom transportiert wird.
Windräder und eine Hochspannungsleitung bei Schwanebeck im Norden des Harzkreises. Mehr als 64 000 Kilometer beträgt die Länge der Stromnetze der Avacon AG, in denen auch der im Norden Deutschlands erzeugte Windstrom transportiert wird. Foto: Mario Heinicke

Harzkreis - „Wir sind bisher sehr ordentlich durch die Pandemie gekommen“, berichtete Avacon-Vorstandsvorsitzender Marten Bunnemann gegenüber der Presse am Tag nach der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft. 38,5 Prozent der Anteilseigener sind Landkreise und Kommunen, überwiegend aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. 61,5 Prozent hält der Stromkonzern Eon.

Im Jahr 2020 erzielte die Avacon AG 113 Millionen Euro Überschuss. Die Dividende für die Aktionäre ist mit 131 Millionen Euro höher ausgefallen als der Überschuss. Die 18 Millionen Differenz seien aus eigens dafür gebildeten Gewinnvorträgen genommen worden, erklärte Bunnemann.

Damit wolle man den Kommunen gleichbleibend hohe Einnahmen gewährleisten. „Wir haben auch noch Rücklagen für die nächsten Jahre, um Dividenden auf einem stabilen Niveau auszahlen zu können.“

Für die Stadt Osterwieck zum Beispiel handelt es dabei um eine Größenordnung von 80.000 Euro – jährlich. Diese Beteiligungen der Kommunen werden in Sachsen-Anhalt durch die Kowisa verwaltet.

Gleichzeitig seien die Investitionen auf ein Rekordniveau gestiegen, berichtete Bunnemann weiter. Vor allem in Richtung einer klimaneutralen Zukunft. „Damit stärken wir gleichzeitig der Wirtschaft in schwierigen Zeiten den Rücken.“ Seit 2017 habe das Unternehmen seine Investitionen um 70 Prozent erhöht. „Das muss ja auch abgearbeitet werden, dafür braucht man Partner in der Region.“

Das Netzgebiet der Avacon AG reicht von der Nordseeküste bis Südhessen und von der niederländischen Grenze bis an die Grenze Brandenburgs. Mehr als 64.000 Kilometer Stromnetze werden hier betrieben sowie mehr als 20?000 Kilometer Gasnetze. Auch im Harzkreis.

Fokus auf intelligente Ernergienetze

Das gute Ergebnis 2020 sei unter anderem auf die strategische Positionierung mit Fokus auf intelligente Energienetze und innovative, maßgeschneiderte Energielösungen für Kunden in Gewerbe und Kommunen zurückzuführen.

Dabei hätten die staatlich regulierten Netzentgelte einen Puffer gegen Schwankungen gebildet. Vor allem während der ersten Lockdownphase habe es erhebliche Einbrüche in der Energienachfrage gegeben, weil große Industriewerke heruntergefahren wurden.

Überrascht und erfreut habe es Bunnemann, dass Avacon auch im wettbewerblichen Geschäft, bei dem Kunden Energielösungen angeboten werden, durch Corona keine negativen Effekte gesehen habe.

Mit Blick in die Zukunft zeigte sich Marten Bunnemann optimistisch: „Der Umbau des Energiesystems für eine klimafreundliche Energiezukunft bleibt auch nach der Pandemie eine der wichtigsten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben des laufenden Jahrzehnts. Das zeigen viele aktuelle nationale und internationale klimapolitische Entscheidungen. Mit unseren Infrastruktur- und Kundenlösungen wollen wir ein Motor dieses Wandels sein.“ Dafür gebe es eine starke Nachfrage.

„Die Energiewende schreitet weiter voran“, stellte Bunnemann fest. Dies würden die Zahlen zur Entwicklung der Erneuerbaren Energien zeigen. Seit 2000 habe sich die Erzeugungskapazität mehr als verzehnfacht. Im Vergleich zu 2019 sei die Einspeiseleistung im Avacon-Netz um 390 Megawatt auf rund 12.000 Megawatt gestiegen. Das entspreche einer Leistung von rund zehn Großkraftwerken. Davon würden rund 70 Prozent auf Windkraft entfallen.

Dennoch: Nach Einschätzung von Bunnemann stagnierte der Zubau von Windkraft mit einer um lediglich zwei Prozent höheren Einspeiseleistung verglichen zum Vorjahr. Dies entspreche auch dem bundesweiten Trend eines gegenwärtig eher geringeren Zubaus von Windkraftanlagen aufgrund von Genehmigungsstaus und zunehmenden Klagen und Einwänden.

Grünstromquote von 192 Prozent

„Wir haben im Avacon-Netzgebiet eine Grünstromquote von 192 Prozent“, stellte der Vorstandschef fest. Rein rechnerisch werde durch Erneuerbare Energien also fast doppelt soviel erzeugt wie hier verbraucht wird. Der Überschuss werde in andere Versorgungsgebiete abgeführt.

Damit liege die Grünstromquote „weit, weit über dem Bundesdurchschnitt“, stellte Bunnemann fest, was durch die windstromreichen Gebiete in der Magdeburger Börde und in Ostfriesland zu erklären sei.

„Das zeigt aber, was Energiewende bedeutet und was auch in der Praxis funktioniert“, erklärte er. „Trotz der hohen Volatilität (Schwankung/d.A.) ist die Versorgung jederzeit sichergestellt. Das gelingt mit einem Hochgrad an Digitalisierung.“ Dafür habe Avacon vor zwei Jahren Europas modernste Netzleitstelle in Salzgitter eingeweiht.

Weiterhin informierte Marten Bunnemann über drei Großprojekte. So realisiert das Unternehmen den Netzanschluss für ein Batteriewerk von Volkswagen in Salzgitter mit einer Anschlusskapazität, die fünf Mal der Stadt Wolfenbüttel entspricht.

In einem weiteren Großprojekt investiert Avacon mit Partnern in den Netzausbau für den Rechenzentren-Hotspot im Großraum Rhein-Main. Ein erstes Rechenzentrum erhalte die Anschlusskapazität einer Stadt wie Kassel. „Wenn die Corona-Krise eines gezeigt hat, dann vor allem die enorme Bedeutung der Digitalisierung. Mehr Digitalisierung heißt mehr Daten, mehr Rechenkapazität, mehr Rechenzentren, höherer Stromverbrauch.“

Einen ersten konkreten Schritt ist Avacon zusammen mit den Partnern Salzgitter AG und Linde zur industriellen Nutzung von grünem Wasserstoff in der Stahlindustrie gegangen. Dieser sei wichtig, um ein Signal zu setzen, dass eine Transformation auch jenseits von Ankündigungen in der Realität möglich ist, erläuterte Marten Bunnemann.

„Die breite Nutzung von Wasserstoff – grünem Wasserstoff – in den Bereichen Industrie, Wärme und Schwerlastverkehr ist eine ganz zentrale Voraussetzung für ein Gelingen der Transformation der Energiewirtschaft, der Industrie und der Gesellschaft insgesamt auf dem Weg Richtung Klimaneutralität. Insbesondere vor dem Hintergrund des Kohle- und Kernenergieausstiegs müssen Alternativen zu konventionellen Energien gefunden werden“, betonte er. Avacon werde den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland daher weiter vorantreiben.

Zubau von Erneuerbaren Energien

Diese und weitere strategische Themen werden nach Einschätzung Bunnemanns angesichts des Wahljahres an Bedeutung gewinnen.

Er mahnte, der dringend benötigte weitere Zubau Erneuerbarer Energien – flankiert vom erforderlichen Leitungsbau – müsse wieder deutlich an Fahrt aufnehmen und dürfe nicht an zu langen Genehmigungs- und Gerichtsverfahren oder fehlenden Investitionsanreizen scheitern. Gleichzeitig müsse für den Industriestandort Deutschland die Versorgungssicherheit in gleichbleibender Qualität gewährleistet sein und Energie bezahlbar bleiben.