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GSW Einstige Schokoladenfabrik blüht auf

Das Genussmomente-Café hat im Argenta-Wohnpark in Wernigerode ist wieder geöffnet. WGs und Servicewohnungen sind belegt.

Von Julia Bruns 25.05.2020, 12:56

Wernigerode l „Sieht doch richtig schick aus?“, fragt Janet Streidt. Sie hat eine Schildmütze mit Visier aufgesetzt. „Das haben wir uns als Alternative zu Masken überlegt, um die Gäste und uns zu schützen“, erläutert sie. Und nicht nur das: Auch abwischbare Menükarten liegen ab sofort im Genussmomente-Café im Argenta-Wohnpark in Wernigerode aus. „Vorher hatten wir sehr schöne, hochwertige Karten – aber leider aus Holz. Und das kann schlecht desinfiziert werden.“

Janet Streidt, ihre drei Kollegen im Servicebereich und vier festangestellte Mitarbeiter in der Küche, waren während der Schließzeit der Cafés und Restaurants in Sachsen-Anhalt nicht in Kurzarbeit geschickt worden – anders als viele andere Beschäftigte im Gastro-Gewerbe. Sie wurden stattdessen in verschiedenen Bereichen der Gemeinnützigen Gesellschaft für Sozialeinrichtungen Wernigerode (GSW) eingesetzt, haben zum Beispiel in den Altersheimen der städtischen Tochtergesellschaft gearbeitet.

Janet Streidt hatte eine besondere Aufgabe: Sie hat sich um Kinder gekümmert, deren Eltern für die GSW arbeiten und die keine anderweitige Betreuung organisieren konnten – und zwar in den Räumen des Cafés. „Mal kamen drei, mal fünf Kinder“, erinnert sie sich. Überall habe Spielzeug gelegen. „Es gab sogar eine eigene Speisekarte für die Kinder“, sagt sie. Die Kinder hätten sich so wohl gefühlt, dass sie traurig waren, wenn es mal nicht zum Gelände der ehemaligen Schokoladenfabrik in der Karnatzkistraße ging. Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat die Pflegekasse die GSW bei diesem Angebot sogar finanziell unterstützt, berichtet Sandra Lewerenz, Geschäftsführerin des Betreibers von Seniorenpflege-Einrichtungen, Sozialstation und Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen – und seit Ende September auch Betreiber des Genussmomente-Cafés.

Gerade einmal ein halbes Jahr liegt die Eröffnung zurück. Zum Betrieb des Lokals hatte sich das Unternehmen erst im Juni 2019 durchgerungen, nachdem kein externer Betreiber für das barrierefreie Café gewonnen werden konnte. „Die ersten Monate waren keine leichte Zeit“, sagt die 49-Jährige. „Aber gerade im Frühjahr war das Café erstaunlich gut angelaufen. Wir hatten über Ostern alle Tische reserviert. An besonders starken Tagen haben wir den Tagungsraum im Untergeschoss zusätzlich für Gäste geöffnet“, berichtet sie. Vor allem sonntags sei die Gaststätte von Anwohnern, Wanderern und Ausflüglern angesteuert worden. „Und dann kam Corona“, sagt Sandra Lewerenz.

Mit einem schlüssigen Hygienekonzept konnte das Café am vergangenen Freitag, 22. Mai, wieder öffnen. Um Mindestabstände zu gewährleisten, wurde die Anzahl der Plätze von 42 auf 27 reduziert. Im Außenbereich stehen weiterhin 44 Plätze zur Verfügung. „Wir haben uns strikt an die Empfehlungen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands gehalten“, sagt Sandra Lewerenz. So werden beim Servieren von Speisen Tellerhauben eingesetzt, die Garderobe darf nicht genutzt werden und die Tischdecken sind von den Tischen samt der Menagen verschwunden.

Die GSW besitzt einen Großteil der einstigen Schokoladenfabrik in der Karnatzkistraße – und kümmert sich auch um die Grünanlagen und Beete rund um die einstigen Fabrikhallen. „Wir konnten zwei Arbeitsplätze für zwei Mitarbeiter mit Handicaps schaffen, die sich um die Pflege des Geländes bemühen“, sagt Sandra Lewerenz. Auch ein Spielplatz am Café wurde just zur Wiedereröffnung fertiggestellt und darf und soll von Kindern erobert werden, sagt sie.

Das städtische Tochterunternehmen betreibt neben dem Café in dem Gebäude eine Tagespflege und tritt als Vermieter mehrerer altersgerechter Wohneinheiten auf. „Aktuell leben 17 Bewohner in den Wohngemeinschaften, fünf in den Servicewohnungen. Zwei Wohnungen sind reserviert, ein Zimmer ist noch frei“, berichtet Sandra Lewerenz. Sie rechnet ab dem Sommer mit einer Warteliste.

„Seit Kurzem wohnt eine Ärztin auf dem Gelände, die hier eine Zweigpraxis eröffnet hat“, verrät sie. Das sei für viele Interessenten ein wichtiger Punkt. Andrea Hüging ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzweiterbildungen im Bereich Naturheilverfahren und Ernährungsmedizin und immer montags vor Ort, ansonsten in Blankenburg mit einer Praxis vertreten. Die Mieter können zudem Services wie Einkaufsdienste, hauswirtschaftliche Dienste, Pflege- und Betreuungsangebote buchen. Rosel Köthen ist eine der Bewohnerinnen in der „grünen WG“. Nach mehreren Stürzen hat sie nach einer Alternative zum Pflegeheim gesucht und wurde in Wernigerode im Argenta-Wohnpark fündig. „Ich komme eigentlich aus Suhl“, sagt sie. In der WG fühle sich die Kosmetikerin wohl – und vor allem sicher. Nun will sie erst einmal Wernigerode richtig kennenlernen.