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Ungewöhnlicher Musikunterricht haucht altem Instrument neues Leben ein Harmonium klingt nach 50 Jahren wieder

Von Jörg Niemann 19.06.2012, 05:25

Schüler des Landschulheims Grovesmühle haben ein etwa 115 Jahre altes Harmonium restauriert. Gestern wurden dem Instrument nach über 50 Jahren die ersten kontrollierten Töne entlockt.

Veckenstedt l Ungewöhnliche Töne sind derzeit aus dem Musikraum der Grovesmühle bei Veckenstedt zu hören. Dort hat es sich Musiklehrer Christian Hauf zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit Schülern der zehnten und elften Klassen im Praxisunterricht ein Harmonium zu restaurieren. Im theoretischen Unterricht kam vor Wochen die Sprache auf ein solches Instrument. Und da erinnerte sich der Schüler Friedemann Beutel aus Wasserleben daran, dass ein solches Instrument in der Wasserleber Friedhofskapelle steht.

"Nachdem das Schloss geknackt war, fiel ich fast aus allen Wolken"

Christian Hauf, Musiklehrer

Christian Hauf besah sich das Instrument und fragte an, ob er es wieder bespielbar machen könne. Der Musiklehrer ist ein ausgesprochener Fan dieser Instrumente und hatte zuvor bereits zehn Stück davon eigenhändig aufgearbeitet. Pfarrer Sebastian Beutel, der Vater von Friedemann hatte nichts dagegen, letztlich gab es auch das Okay des Gemeindekirchenrates, denn das Instrument ist im Besitz der Gemeinde.

"Wir mussten das Instrument von hinten über die Scharniere öffnen, denn es war verschlossen und niemand wusste, wo der Schlüssel war", berichtete Hauf. Er fiel aus allen Wolken, als er zum ersten Mal in das Instrument schaute. "Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, denn wir hatten ein Instrument von Peter Titz aus Wien vor uns", schilderte Hauf gestern. Die Schüler staunten weniger über das Instrument, sondern eher über ihren staunenden Lehrer, denn Peter Titz sagte ihnen absolut nichts. Dafür war der Name bei Christian Hauf bestens bekannt. "Titz war einer der berühmtesten Harmoniumbauer und wurde später sogar kaiserlicher und königlicher Hof-Harmoniumbauer. Das Harmonium, das wir in den Händen hatten, ist also ein Stück aus der Mercedes-Klasse dieser Instrumente." Danach sah es aber anfangs überhaupt nicht aus. Gute 50 Jahre stand das um 1865 gebaute Instrument ungenutzt in der feuchten Friedhofskapelle. Das Holz war innen und außen angegriffen, das Instrument insgesamt unbespielbar. Doch Christian Hauf sah eine Chance. In Teamarbeit wurde das Harmonium zur Grovesmühle transportiert. Dort arbeiten Hauf und seine Schüler nun schon seit vier Wochen intensiv an der Restaurierung.

Hunderte Einzelteile galt es zu reinigen, einige Holzteile mussten neu gefertigt werden. Das gute Stück wurde außen neu lackiert, innen neu geschmiert, Hölzer neu verleimt, die Bälge repariert und, und, und.

Gestern wurden die meisten Kleinteile wieder zusammengefügt - und dann gab es den großen Test. Die Spannung war hoch, als sich Christian Hauf vor die Tasten setzte. Kurz vor 12 Uhr entlockte er dem Instrument wieder die ersten kontrollierten Töne und jubelte mit seinen Schülern: "Operation gelungen - das Harmonium spielt wieder".

In den nächsten Wochen werden weitere Arbeiten am Instrument erfolgen, denn noch ist allerhand Feinabstimmung notwendig. Im Spätsommer oder Herbst wird das Harmonium an die Gemeinde zurückgegeben.