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Hochwasserschutz Anwohner fordern Auffangbecken

Kein Streit um Zuständigkeiten und Geld, sondern sofortiges Handeln fordern die Wernigeröder, um die Gefahr von Hochwasser zu verringern.

Von Ivonne Sielaff 16.08.2017, 01:01

Wernigerode l Brücken sind zerschlissen, Uferstützmauern unterspült. Treibgut erschwert den Wasserdurchfluss in Zillierbach und Holtemme. Und die Angst vor der nächsten Flut ist groß. Viele Wernigeröder fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen. Das hat sich am Montagabend bei der Einwohnerversammlung zum Thema Hochwasser gezeigt.

Juliane Beese hatte das Treffen in der Christuskirche mit einigen Mitstreitern organisiert. Wie die etwa 80 Anwesenden erhoffte sie sich Antworten und Lösungsansätze von den Verantwortlichen. „Im Mühlental lagen etliche Baumstämme am Ufer des Zillierbachs“, mahnte Anwohner Ralf Könnecke an. Die Bäume seien von den Wassermassen mitgerissen worden und hätten eine Brücke regelrecht zerfetzt. „Seit Jahren wachsen Bäume im Bach, sie werden einfach stehengelassen. Wer ist für die Uferbefestigung und für die Pflege der Bachläufe zuständig?“ Für den Flusslauf von Holtemme und Zillierbach, also Fließgewässer erster Ordnung, ist dies der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft. Es gebe ein Baumkataster, in welches alle Bäume in Hinblick auf ihre Verkehrssicherheit aufgenommen werden, so Flussbereichsleiter Christoph Ertl. 2017 seien 150 Bäume an der Holtemme gefällt worden. 2016 seien es etwa 300 gefällte Bäume gewesen. Für die am Ufer abgelegten Baumstämme sei er nicht verantwortlich, so Ertl. „Das müssen Sie dem Ordnungsamt melden.“

„Die Brücken halten der nächsten Flut nicht stand“, ist sich Nachbar Rolf Brunotte sicher. Zudem seien im Mühlental 30 Meter Stützmauer unterspült, sagte Brunotte. Die Schäden wurden aufgenommen, sogar mit externer Unterstützung, versicherte Ertl. Dabei seien zahlreiche Uferabbrüche und unterspülte Fundamente registriert worden. Versorgungs- und Drainage-Leitungen würden frei liegen. Im Bereich Wernigerode müssten bis zu fünf Brücken baulich verändert werden, um den Durchlauf zu vergrößern. „Wir werden versuchen, das mit EU-Geldern umzusetzen.“

Christian Fischer hofft bei der Behebung von Flutschäden dagegen immer noch auf das Land. „Wir sind unzufrieden“, so der Sozialdezernent. „Aber wir verhandeln gerade hart mit dem Land, um vom Eigenanteil verschont zu bleiben.“ Gute Nachrichten gebe es beim Hochwasserschutzkonzept für Gewässer zweiter Ordnung – also die Zuflüsse zur Holtemme und zum Zillierbach. Letzte Woche seien 70.000 Euro bewilligt worden. Insgesamt sind 90.000 Euro für das Konzept eingeplant, bei dem sich die Stadtverwaltung Mitarbeit und Ideen der Bürger wünscht.

Für Gewässer zweiter Ordnung ist der Unterhaltungsverband Ilse-Holtemme zuständig. „Wir betreiben keinen Hochwasserschutz, aber wir müssen die Schäden beseitigen“, informierte Geschäftsführerin Nadja Effler. „Dafür hoffen wir auf Geld vom Land. Sobald die Zusage da ist, schießen wir los.“

Der Wernigeröder Dietrich Rahner warnte vor den Gefahren der zunehmenden Versiegelung. „Das Nesseltal soll bebaut werden, die Sennhütte, der Astberg. Wo führt das noch hin?“ Jede Bebauung bringe Versiegelung mit sich, bestätigte Ulrich Eichler. „Auf solchen Flächen versickert Wasser nicht und gelangt schneller in die Flussläufe“, so der Umweltbeauftragte der Stadt. Er selbst habe nur „begrenzte Möglichkeiten“, um darauf hinzuweisen, so Eichler, der vor allem die Stadträte mit ihren Entscheidungen in der Verantwortung sieht.

Matthias Blessinger von der Unteren Wasserbehörde des Harzkreises wies auf die Schwierigkeiten beim Hochwasserschutz hin. „Da stoßen verschiedene Interessen aufeinander: Naturschutz zum Beispiel. Das können lange Prozesse sein.“

Unbefriedigende Aussagen für die Besucher der Einwohnerversammlung. „Hier wird um Geld und Zuständigkeiten gezankt, auf EU-Gelder gehofft“, meldete sich Sven Bieler zu Wort. „Das ist der falsche Weg. Wir können nicht immer noch planen, wenn vielleicht schon das nächste Hochwasser droht.“ Juliane Beese schlug in die gleiche Kerbe. „Wir müssen jetzt handeln. Keine Fristen mehr. Wir müssen gemeinsam Strategien entwickeln“, forderte sie.

Wie ein Auffangbecken für die Holtemme in Hasserode, die Wiederaufforstung von Flächen. „Wir brauchen eine Wasserwehr und eine gemeinsame Instanz, um den Hochwasserschutz zu koordinieren. Als Bürgerinitiative sollten wir in Kontakt bleiben.“ Der erste Schritt der Initiative ist eine Unterschriftenliste, in der die Unterzeichner den Bau eines Wasserrückhaltebecken fordern. Die Liste soll an Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) übergeben werden.