Motorrad-Unfälle Oberharzer Straßen am gefährlichsten im Kreis
Im Oberharz endet mit dem Herbst die Biker-Saison. Die kurvenreichen Strecken sind beliebt, aber besonders gefährlich, warnt die Polizei.
Oberharz-Stadt l Eine abwechslungsreiche Streckenführung, eine beeindruckende Naturkulisse und viele touristische Attraktionen – die Oberharz-Stadt sei ein Eldorado für Motorradfahrer, sagt Polizeikommissar Sebastian Fabich. Doch das hat auch seinen Preis. „Jeder vierte Verkehrsunfall mit Motorradbeteiligung ereignete sich im Bereich der Stadt Oberharz am Brocken mit teils schweren Personenschäden“, informiert er. Beim Verletzungsrisiko ist die Einheitsgemeinde trauriger Spitzenreiter im Harzkreis.
Als Verantwortlicher für das Projekt „Sicher durch den Harz“ mahnt Fabich deshalb zu mehr Umsicht auf den Straßen im Mittelgebirge – und das über die Ländergrenzen hinaus. Denn 2020 war es für acht Motorradfahrer der letzte Ausflug in den Gesamtharz, vier von ihnen verstarben auf sachsen-anhaltischer Seite. Das seien im Landkreis Harz zwar halb so viele wie im Vorjahr, aber jeder Verkehrstote sei einer zu viel, betont Sebastian Fabich.
Dass nicht noch mehr Menschen starben, ist oft einem glücklichen Zufall geschuldet. Denn bei 131 registrierten Motorradunfällen ist das Risiko groß, auch wenn die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 15 gesunken ist. „Motorradfahren ist nunmal gefährlich, weil im Gegensatz zum Auto keinerlei Schutzvorrichtungen vorhanden sind“, sagt der Polizeikommissar. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass 84 der beteiligten Biker nicht nur mit einer kleinen Schramme davon gekommen sind.
Besonders verhängnisvoll sind dabei die Straßen in der Oberharz-Stadt. Hat im restlichen Landkreis gut die Hälfte der Kraftradfahrer einen Sturz oder eine Kollision sogar komplett unbeschadet überstanden, zogen sich in der Einheitsgemeinde bei 29 Unfällen 35 Biker leichte bis schwere Verletzungen zu. Sechs weitere Zusammenstöße hatten lediglich Sachschäden zur Folge. Immerhin sei niemand dabei verstorben, sagt Fabich. 2019 verloren in der Oberharz-Stadt noch fünf Motorradfahrer ihr Leben.
Das Gebiet der Harzer Höhenlagen berge mit seinen zugespitzten Kurven, uneinsehbaren Kurvenausgängen und witterungsbedingt wechselnden Fahrbahnzuständen viele Tücken, schätzt Fabich ein, der sich selbst als leidenschaftlichen Biker beschreibt. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass jeder vierte Motorradunfall im Harzkreis in der Oberharz-Stadt geschehe. Die erhöhte Gefahr sieht der Polizeikommissar aber auch in der touristisch bedingten Verkehrsdichte und dem generell hohen Aufkommen an Bikern.
„Kurvige Strecken zu fahren, macht eben mehr Spaß. Daher sind in der Oberharz-Stadt auch mehr Motorradfahrer unterwegs als im flachen Land“, zeigt er auf. Das statistische Risiko sei daher größer, auch mit Blick auf die hohe Zahl an Autofahrern, die ebenso Unfallverursacher seien.
„Man ist als Kradfahrer ja nicht allein auf der Straße. Das ist keine Rennstrecke“, gibt Fabich zu bedenken. Die Grundeinstellung einiger unbelehrbarer Biker, ihnen geschehe schon nichts, könne er daher nicht nachvollziehen. „Viele können richtig gut fahren. Problematisch wird es aber, wenn andere Verkehrsteilnehmer ins Spiel kommen.“ Diese würden nicht immer so reagieren wie erwartet. Und nicht selten würden die Zweiräder einfach von Autofahrern übersehen.
Volle Straßen – und damit eine erhöhte Gefahr – sieht der Polizeikommissar vor allem in Gegenden um die Rappbodetalsperre und Pullman City. Dennoch gebe es keine speziellen Unfallschwerpunkte – weder im Landkreis allgemein noch in der Oberharz-Stadt. „Das variiert von Jahr zu Jahr“, erklärt Fabich. „Überall, wo es von Blankenburg, Wernigerode oder Ballenstedt aus hoch in den Harz geht, gibt es immer wieder Unfälle.“
Die Statistik führt die Bundesstraßen 27, 81, 185, 242 und 244 häufiger auf, ebenso jedoch verschiedene Landes- und Kreisstraßen. Immerhin sinke die Zahl der Verletzten, freut sich Fabich. Waren es 2018 noch 128 Personen, mussten 2019 nur noch 97 verunfallte Biker medizinisch betreut werden. 2020 haben sich 84 Motorradfahrer im Harzkreis leicht bis schwer verletzt.
Um die Zahl weiter zu senken, setzt die Polizei vor allem auf Prävention und Präsenz. So auch bei der Großkontrolle im September im Hasselfelder Ortsteil Rotacker. Dabei stellten die Polizeibeamten bei 114 Krafträdern 34 Verkehrsordnungswidrigkeiten fest. Zehn mal wurde zu schnell gefahren, 24 Maschinen wiesen technische Mängel auf. Sieben Biker durften in Folge dessen nicht mehr weiterfahren. „Bei einigen Motorrädern waren die Reifen zu sehr abgefahren. Vieles fiel aber auch in den Bereich Tuning“, erklärt Sebastian Fabich. So seien Bremse, Kupplung oder Spiegel verändert, aber nicht durch eine Prüfbehörde wie Tüv oder Dekra abgenommen worden. „Manche Fahrer haben auch den Endschalldämpfer manipuliert, damit die Maschine lauter ist.“
Einsichtig hätten sich bei der Kontrolle die wenigsten gezeigt. Mehr erreichen kann die Polizei laut Fabich im anderen Rahmen. So sei der jährliche Bikergottesdienst im Kloster Drübeck eine gute Möglichkeit, mit den Motorradfahrern ins Gespräch zu kommen.
Seit zwei Jahren ist die Polizei des Landkreises zudem Teil des Angebots „Motorradfahren bildet“ der Holiday Tours GmbH. „Das sind geführte Bikertouren, die in Form von Bildungsurlaub über mehrere Tage zu verschiedenen Themen hier im Harz durchgeführt werden. Ich bin während der Saison von Mai bis September einmal wöchentlich zu Gast und informiere die wechselnden Gruppen über die Gefahren im Harz“, erklärt der Polizeikommissar. Dabei gebe er unter anderem Einblicke in die Statistik und informiere darüber, wie man sich nach Bremsfehlern richtig verhält, seine Fahrweise an die kurvenreiche Streckenführung anpasst und wie wichtig das Tragen einer signalgelben Motorradbekleidung ist.
Eine weitere Möglichkeit der Prävention ist der seit einem Jahr aktive Twitterkanal „Sicher durch den Harz“, der über die Polizeiinspektion Magdeburg ausgespielt wird. „Hier haben wir leider erst 118 Follower, aber diese tragen die Infos ja auch weiter. Biker sind untereinander sehr vernetzt“, weiß Fabich. „Je mehr Motorradfahrer wir erreichen, desto höher ist die Chance, dass die Unfallzahlen noch weiter zurückgehen“, ist er sich sicher.