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Tierwelt Schwan „Paul“ schwimmt nach dramatischer Rettung wieder auf Ilsenburgs Forellenteich

Schwan „Paul“ ist nach einer dramatischen Rettungsaktion inklusive Notoperation wieder auf dem Ilsenburger Forellenteich. Am Sonnabend ist er um genau 15.30 Uhr wieder ausgesetzt worden.

Von Jörg Niemann Aktualisiert: 30.05.2021, 21:03
Katleen Behrens (links), die Wochenend-Diensthabende der Ilsenburger Stadtverwaltung, setzt gemeinsam mit ihrer Kollegin Victoria Jede Schwan „Paul“ an seinem Zuhause aus.
Katleen Behrens (links), die Wochenend-Diensthabende der Ilsenburger Stadtverwaltung, setzt gemeinsam mit ihrer Kollegin Victoria Jede Schwan „Paul“ an seinem Zuhause aus. Foto: Jörg Niemann

Ilsenburg - Er hat es überlebt. Und er gewaltiges Glück gehabt, der letzte verbliebene Teichschwan der Stadt Ilsenburg. „Paul“ musste auf dramatische Weise am Freitagnachmittag gerettet werden (die Volksstimme berichtete). Das ganze Ausmaß der Geschichte wurde erst am Sonnabend bekannt, nachdem das Tier wieder bei offenbar bester Gesundheit auf seinen Teich zurückgebracht wurde.

Begonnen hatte das Drama am Freitagnachmittag. Gegen 15 Uhr wurde es am Teichufer hektisch. Zunächst wurde der Schwanenmann von Passanten eher zufällig in der Nähe des Einlaufs des neuen Entlasters entdeckt. Aufgefallen war er durch sein Verhalten. „Der Schwan lag mehr oder minder am Rand des Forellenteiches auf dem Rücken und konnte sich kaum noch bewegen. Menschen bemühten sich, ihm zu helfen, doch das Tier folgte seinem Instinkt und wollte fliehen“, schilderte eine Zeugin die ersten Momente.

Schon da wurde sichtbar, dass sich der Schwan in einer meterlangen Angelsehne verfangen hatte. Von dieser war er weitgehend eingeschnürt und somit nicht in der Lage, sich wie gewohnt zu bewegen. Das hilflose Tier trieb dann einige Augenblicke auf dem Teich. Zum Glück zog ihn die Strömung nicht auf das Gewässer, sondern der Wind sorgte dafür, dass Paul in Ufernähe blieb und im Bereich der Stelle, an dem Stufen zum Teich führen, wieder angetrieben wurde. Dort gelang es zwei Frauen und einem Mann, das Tier an Land zu bringen.

Sehne mit den Zähnen abgebisse

Auch die Feuerwehr war inzwischen eingetroffen, wartete aber noch auf die Spezialisten der Tierrettung. Die drei Helfer konnten die hilflose Lage des Schwans aber nicht ertragen und begannen, die Angelsehne zu entfernen. „Es waren unendlich erscheinende Minuten und es waren geschätzt 20 Meter Angelsehne, die den Rumpf des Tieres umgaben. Der Mann unserer Helfergruppe hat die Sehne dann mit den Zähnen abgebissen. Doch das schlimmste war, dass die Sehne im Schnabel des Tiers endete. Da war fachliche Hilfe gefragt“, sagt die Helferin, der bei der Rettungsaktion ihr Mobiltelefon zu Boden fiel und dabei irreparablen Schaden nahm.

Den nächsten Teil der Rettungsaktion übernahm dann die Feuerwehr. Die schnappte sich Paul und fuhr mit ihm zum Bereitschaftstierarzt. Diese Aufgabe hatte am Freitag die Wernigeröder Veterinärmedizinerin Franziska Ujvari im Wernigeröder Mühlental. In ihrer Praxis wurde „Paul“ umgehend untersucht. „Am Ende des Kopfes, etwa 20 Zentimeter von der Schnabelspitze entfernt, wurde auf dem Röntgenbild ein Angelhaken sichtbar. Diesen konnten wir nur durch eine Operation entfernen“, sagte Franziska Ujvari am Sonnabend der Volksstimme.

„Paul“ bekam dazu eine Vollnarkose, und es gelang dem OP-Team, den Angelhaken über den Schnabel zu entfernen, ohne einen chirurgischen Schnitt am Hals vornehmen zu müssen. Franziska Ujvari verwies noch einen weiteren gefährlichen Aspekt: „Ich schätze, dass ,Paul’ den Haken schon etwa drei Tage in sich hatte. Denn im Schlund befand sich ein etwa golfballgroße Klumpen Nahrung, die er wegen des Hakens nicht schlucken konnten. Dass es ,Paul’ so lange durchgehalten hat, war auch dem Umstand zu verdanken, dass er etwas übergewichtig war“, so die Ärztin. Kathleen Behrens von Ordnungsamt der Stadt und Günther Holuba von der Feuerwehr holten am Freitagabend den immer noch leicht „benebelten“ Patienten aus der Tierarztpraxis ab und erfuhren, dass „Paul“ nach der Operation die Nacht über nicht auf seinem Teich verbringen sollte.

Übernachtung im Pferdeanhänger

Also musste für ihn eine nächtliche Herberge besorgt werden. Nach einigen erfolglosen Telefonaten wurde entschieden, dass „Paul“ zum Ehepaar Schneider nach Stapelburg gebracht werden könnte. Die beiden waren etwas überrascht, halfen aber sofort. „Paul“ übernachtete in einem leeren Pferdeanhänger – gut vor Räubern geschützt und vor allem erholsam nach den aufregenden Stunden zwischen Hilflosigkeit, Vollnarkose und Autofahrt.

Nach dieser Quarantäne wurde „Paul“ am Sonnabend wieder vom Ordnungsamt der Stadt abgeholt und zu seinem Teich gefahren. Die letzten Meter in der wärmenden Decke wurde der Schwan schon wieder ganz schön zappelig, doch dann watschelte er die letzten Meter zum Wasser und suchte erst einmal schwimmend das Weite. Ihm war sicher nicht klar, dass die Menschen, die ihn in den 24 Stunden zuvor hin und her bugsierten, seine Retter waren.

„Paul“ ist der letzte verbliebene Teichschwan in der Ilsenburger Innenstadt. Lediglich der sogenannte „Ilse-Schwan“, den vor Jahren ein Hochwasser vom Forellenteich zur Ilsestraße spülte, ist neben ihm noch in der Stadt heimisch. Die Stadtverwaltung sucht aber nach Lösungen, um wieder mehr Tiere anzusiedeln, und hat bereits entsprechende Kontakte geknüpft. Es sei denn, Mutter Natur als Regulator kommt ihr zuvor und hilft beim Zuzug.

So steckte der Angelhaken im Schlund von Schwan Paul. Eine Nahrungsaufnahme war dadurch nicht möglich.
So steckte der Angelhaken im Schlund von Schwan Paul. Eine Nahrungsaufnahme war dadurch nicht möglich.
Foto: Tierarztpraxis Mühlental Wernigerode
So groß war der Angelhaken im Vergleich zu einer menschlichen Hand.
So groß war der Angelhaken im Vergleich zu einer menschlichen Hand.
Foto: Jörg Niemann