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Heimatgeschichte Schwere Bügeleisen und feine Stickerei

Welche Schätze in der Hasselfelder Heimatstube an die Geschichte des Ortes erinnern.

Von Katrin Schröder Aktualisiert: 19.4.2021, 07:07

Hasselfelde. Die gusseisernen Bügeleisen zeigt Waltraud Richter besonders gerne. „Hier kam Feuer hinein“, erklärt die Hasselfelderin und öffnet eine Klappe. Nachdem sie Besuchern erklärt hat, wie das historische Haushaltsgerät funktioniert, gibt sie es ihnen in die Hand: Die meisten sind überrascht, wie schwer es ist. „Die Kinder sind begeistert“, sagt die 86-Jährige. Besuch hat sie wegen der Corona-Pandemie in dem Museum schon seit längerem nicht mehr empfangen können.

Dass sie als Zugereiste Hasselfeldes Geschichte erzählt, sei schon erstaunlich, sagt die langjährige Betreuerin der Heimatstube. Waltraud Richter stammt gebürtig aus Schlesien, in Berlin verbrachte sie den größten Teil ihres Lebens. Im Urlaub zog es sie und ihren Mann jedoch stets in den Harz: So lernten sie Hasselfelde kennen und lieben. 1996 ist sie nach ihrer Pensionierung hergezogen. „Einmal Hasselfelde, immer Hasselfelder“, sagt sie bestimmt.

Waltraud Richter wollte sich einbringen, den neuen Wohnort und die Leute besser kennenlernen. Im Jahr darauf wurde die Heimatstube in der Stieger Straße neu eingerichtet – ihre Vorläuferin hatte sich zu DDR-Zeiten in der Kurverwaltung befunden. „Es wurden Leute gesucht, die den Besucherbetrieb absichern.“ Die Neu-Hasselfelderin meldete sich und war gleich mittendrin. „Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde.“

Ehrenamtlich aufgebaut

Das Museum verdankt seine Existenz dem ehrenamtlichen Engagement der Einwohner unter der Ägide des Harzklub-Zweigvereins. „Die Heimatstube ist von den Hasselfelder Bürgern aufgebaut worden“, betont Waltraud Richter. Sämtliche Exponate sind Geschenke oder Leihgaben von Hasselfeldern. „Sie haben sich sehr damit identifiziert.“

Das galt auch für das Team der Heimatstube. „Wir haben das mit Herzblut gemacht.“ Allerdings ist der Kreis der Mitarbeiter im Lauf der Jahre immer kleiner geworden. „Nun bin nur noch ich übrig geblieben“, sagt die 86-Jährige.

Sie ist aber weiterhin mit Freude bei der Sache. Besonders gern zeigt sie Kindern die Schätze ihrer Heimatstadt – der Besuch in dem Museum gehörte bis zur Corona-Pandemie zum Lehrplan der Grundschule. Auch die Kindertagesstätte war mit ihren Schützlingen regelmäßig zu Besuch. Und es sei schon manches Mal vorgekommen, dass ein Knirps mit seinem Opa an der Hand erneut zu Besuch kam. „Der Großvater kannte die Heimatstube aber sicherlich schon“, sagt Waltraud Richter und lächelt.

Viel Arbeit für gemeinsames Buch

Um die Jahrtausendwende zog die Einrichtung in das Haus des Gastes, wo es sich die obere Etage mit dem Blumenau-Museum teilt. Auf Initiative von Horst Gäwert und unter der Regie von Gerhard Bock entstand der Arbeitskreis Heimatgeschichte, dem auch Waltraud Richter angehört. Gemeinsam erarbeiteten die Mitglieder das Buch „Hasselfelde - Geschichte einer alten Stadt im Harz“, das 2013 erschienen ist. „Das war viel Arbeit“, sagt die Wahl-Hasselfelderin rückblickend.

Mittlerweile ist das Werk „total ausverkauft“, eine Neuauflage wäre aber zu aufwendig, sagt Waltraud Richter. Es würden aber Korrekturen vorgenommen, und es sei geplant, das Buch digital zugänglich zu machen. Weitere Hefte wurden herausgegeben, ebenso der jährliche Kalender mit Ansichten aus Hasselfelde. Der Arbeitskreis sei nach wie vor aktiv, sagt Waltraud Richter. Es sei geplant, eine Bank zum Andenken an Karl Böhnstedt aufzustellen. Der langjährige Bademeister des Waldseebades war eine „Institution“ im Ort, als Ortschronist legte er den Grundstein für das Schaffen seiner Nachfolger.

Auch das ist in der Hasselfelder Heimatstube dokumentiert – zum Beispiel mit einer Reproduktion der Urkunde König Heinrichs III., mit der am 18. Januar 1043 erstmals der Ort namentlich erwähnt wurde. Das historische Schriftstück, das quasi als Geburtsurkunde für Hasselfelde gilt, fand Arbeitskreismitglied Eberhard Köhler nach langwierigen Recherchen, die ihn bis in die Schweiz führten, schließlich im rheinland-pfälzischen Landesarchiv in Speyer.

Ahnengalerie bis ins 13. Jahrhundert

Ein weiteres Zeugnis aufwendiger Forschung hängt etwas unscheinbar in einer Ecke, gehört aber für Waltraud Richter zu den liebsten Exponaten. Ein Nachkomme der Familie Rieche aus dem niedersächsischen Seesen die Herkunft des Namens erforscht, den viele Hasselfelder tragen. Bis ins 13. Jahrhundert reicht die sauber aufgeschriebene und eingerahmte Recherche zurück. „Da bekomme ich eine Gänsehaut“, sagt Waltraud Richter.

Etwas greifbarer, aber ebenso spannend sei die Sammlung historischer Bügeleisen, deren Funktionsweise sie mit Liebe zum Detail erklärt. Viele Gegenstände, die früher gebraucht wurden, seien für heutige Betrachter erläuterungsbedürftig – wie die mit Blattgold geschmückten Tassen, deren Einsatz für Bartträger gedacht war. Das sage auch der Spruch auf dem Trinkgefäß. „Diese Tasse, sie soll nützen, diesen schönen Bart die schützen“, steht in blattgoldenen Lettern darauf. „Herrlich“, sagt Waltraud Richter. „Das kommt immer gut an.“

Mit den Poesiealben, die das Heimatstubenteam gesammelt hat, kann hingegen jeder gleich etwas anfangen. „Schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht, Gott ist dein Begleiter, er verlässt dich nicht“, schrieb am 31. Januar 1912 die Konfirmandin Emma Pilz ihrer Freundin. „Das weckt Erinnerungen bei Kindern und den Älteren“, sagt Waltraud Richter. Das gelte auch für das Taufkleid der Familie Schröder, das auf einem Stuhl drapiert ist.

Museum zum Anfassen strapaziert die Sinne

Wie die Stadt einst ausgesehen hat, zeigen die Fotos, die in der Heimatstube ausliegen. Waltraud Richter hat sie selbst in Alben eingeklebt, Besucher dürfen blättern. Grundsätzlich soll die Heimatstube ein Museum zum Anfassen sein, sagt Waltraud Richter. „Das finde ich wichtig, man nimmt so mehr auf. Man strapaziert seine Sinne.“

Viel Mühe haben die Frauen und Mädchen auf die Wäsche verwendet, die wie in einem hergebrachten Schlafzimmer auf und über dem Bett sowie auf dem Waschtisch drapiert ist „Das ist alles Handarbeit“, sagt Waltraud Richter und zeigt fein geklöppelte Spitzen und ein Übungsstück mit verschiedenen Stickmustern, angefertigt von Auguste Fessel. „Viele in Hasselfelde kennen sie noch“, sagt Waltraud Richter. „So etwas habe ich in der Schule gemacht.“

An der Wand hängen Hemden, über der Nähmaschine liegt eine Haube, wie sie Frauen bei der Feldarbeit trugen: Unter dem Stoff sorgt Pappe für Stabilität, ein langes Stoffteil schützt den Nacken vor der Sonne. Wie die Hasselfelder einst in der Forst- und Landwirtschaft ihr Geld verdient haben, zeigen weitere Abteilungen der Heimatstube, ebenso wie die Küchen früherer Tage ausgestattet waren und was die Leute in ihrer Freizeit anfingen – vom Musizieren bis zum Skifahren. „Wir hatten zum Beispiel eine tolle Folkloregruppe, die hoch angesehen war und an DDR-Meisterschaften teilnahm“, berichtet Waltraud Richter.