Musikgymnasium Singende Werbung für die Stadt
Seit 25 Jahren werden am Landesgymnasium in der Chorstadt Wernigerode musisch begabte Kinder und Jugendliche ausgebildet.
Wernigerode l „Die Schule ist eine große Wundertüte.“ So umschreibt Dr. Detlef Gieseler seinen Arbeitsplatz – den vielleicht musikalischsten in Wernigerode. 18 Jahre lang ist er Schulleiter des Landesgymnasiums für Musik. Konzerte am laufenden Band, Fernsehauftritte, Wettbewerbe auf internationalem Niveau, Chorreisen nach Fernost – im Haus in der Kanzleistraße werden ständig Pläne geschmiedet, wohin die Reise für die Leistungschöre als nächstes gehen könnte.
Im Mai feiert die Einrichtung 25-jähriges Bestehen. 300 junge Leute lernen hier, die Hälfte lebt im Internat im Salzbergtal und ist in der gesamten Bundesrepublik zuhause. Die weiteste Heimreise hat ein Mädchen von der Insel Fehmarn.
„Es ist eine große Herausforderung, hier zur Schule zu gehen, aber auch ein Privileg“, sagt Detlef Gieseler. So wie Profisportler müssen die Jugendlichen Zeit, Kraft und Mühe investieren, um auf der Bühne – als Teil des Rundfunk-Jugend-, des Mädchen- oder eines Kinderchores – Höchstleistung zu bringen. „Und am nächsten Tag sitzen sie wieder um 7.30 Uhr im Unterricht.“ Denn neben Spezialfächern wie Musiktheorie, Klavier und Musikgeschichte absolvieren die Kinder eine ganz normale gymnasiale Ausbildung in Mathe, Deutsch & Co.
50 Lehrer arbeiten an der Schule, auch im Einzel- und Gruppenunterricht. „Das Land unterstützt unsere Begabtenausbildung durch diese große Anzahl an Mitarbeitern unwahrscheinlich“, sagt Detlef Gieseler. „Das kann man gar nicht hoch genug anerkennen.“
In Wernigerode sei die Einrichtung gut aufgehoben. „Es ist charmant provinziell. An den Tagen der offenen Tür flanieren die Eltern mit ihren Kindern über den Markt, dann gehen sie zum Internat und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das ist einfach unschlagbar.“ Vorteile durch die städtische Umgebung anderer Begabtenzentren wie Halle und Magdeburg könne das Musikgymnasium durch die Nähe zu Niedersachsen und Thüringen ausgleichen.
In den vergangenen Jahren haben sich wieder mehr Kinder beworben. Nach wie vor gilt: Wer am Landesgymnasium lernen will, muss eine Aufnahmeprüfung bestehen, bei der auch die schulischen Leistungen eine Rolle spielen.
Zwei fünfte Klassen à 20 Kinder starten Jahr für Jahr. Eine Besonderheit ist, dass in jede Klassenstufe junge Leute aus unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichen Biografien aufgenommen werden, sofern sie geeignet sind.
Dem Landesmusikgymnasium und seinem indirekten Vorgänger – dem musikalischen Spezialzweig der Erweiterten Oberschule „Gerhart Hauptmann“ – ist Direktor Giesler schon lange verbunden. „Ich war selbst Schüler einer der Sprachklassen der EOS“, verrät der Englischlehrer. Die sogenannten „M-ler“, also die Schüler der Musikklassen, seien schon damals herausgestochen. „Wir haben auf dem Schulhof verwundert beobachtet, wie sie Dirigierbilder übten“, erinnert er sich und lacht.
Zwar ist Detlef Gieseler kein Chorleiter oder Musiklehrer – doch gänzlich unmusikalisch sei er nicht, sagt er. Lange habe er geheim gehalten, dass auch er eine bodenständige musikalische Ausbildung genossen hat. „Zum Leidwesen der Nachbarn und der Geigenlehrerin habe ich sechs Jahre lang Violine gespielt. Da maße ich mir schon ein gewisses Urteil über die musikalische Qualität an, ohne dass ich das laut preisgebe.“
25 Jahre Bestehen sollen besonders gewürdigt werden. „Wir ehren uns, indem wir uns nützen“, sagt der Schulleiter. Und so ist die nächste Woche voller Workshops und Projekte, für die im normalen Schulalltag keine Zeit oder kein Geld da wären. Die Friedrich-Naumann-Stiftung bietet ein Projekt über Zivilcourage an, der Klavierbauer Schimmel in Braunschweig wird besucht und ein Film an der Hochschule Harz gedreht.
Das sind nur wenige Punkte im vollen Terminplan der Musikgymnasiasten. Am Freitag, 20, Mai, gratulieren dann Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) und Bildungsminister Marco Tullner (CDU) – auch für die gelungene Werbung für Land und Stadt, die die Schüler singend in die Welt hinaustragen.