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Spirituelle Stiftung sorgt für Aufschrei in Allrode

Was wird aus dem Harzresort „Waldesruh“ in Allrode? Im Ort herrscht Aufregung, weil eine spirituell orientierte, hinduistische Organisation die dazugehörigen Hotels kaufen will.

Von Katrin Schröder 23.07.2021, 08:00
Das Hotel „Hubertushöhe“ in Allrode, das zum Harzresort „Waldesruh“ gehört, soll an eine spirituell orientierte Vereinigung verkauft werden. Im Ort herrscht deshalb Aufregung.
Das Hotel „Hubertushöhe“ in Allrode, das zum Harzresort „Waldesruh“ gehört, soll an eine spirituell orientierte Vereinigung verkauft werden. Im Ort herrscht deshalb Aufregung. Foto: Katrin Schröder

Allrode - Rund um das Hotel „Hubertushöhe“ in Allrode ist es still. Im Schaukasten an der Einfahrt hängt die Nachricht: „Wir haben geschlossen.“ Das könnte sich möglicherweise bald ändern: Nach Volksstimme-Informationen plant eine internationale Organisation, das Harzresort „Waldesruh“ zu kaufen, zu dem auch das nahe gelegene Hotel „Hubertushöhe“ gehört. Im Ort sorgt die Nachricht für Aufruhr – denn Kaufinteressent ist die Spiritual Science Research Foundation (SSRF), zu deutsch: Spirituelle Wissenschafts-Forschungs-Stiftung, eine Vereinigung, die sich nach eigenen Angaben mit der Verbreitung spirituellen Wissens befasst.

Einwohner befürchten nun, dass es sich bei der Gruppierung um eine Sekte handeln könnte, die möglicherweise fundamentalistische Ansichten vertreten und gewaltbereit sein könnte. Zudem könnte die SSRF als neuer Eigentümer den Zugang zum weitläufigen Areal des Resorts versperren, was für Nachbarn und Urlauber von Nachteil wäre. Deshalb haben Anwohner am Dienstag in der Sitzung des Ortschaftsrats gefordert, den Verkauf des Hotelgeländes zu verhindern.

Das ist allerdings nicht ohne weiteres möglich. „Es handelt sich um einen Grundstückverkauf von privat an privat. Da kann die Stadt wenig tun“, sagt Thales Bürgermeister Maik Zedschack (CDU). Vorkaufsrecht für die Stadt

Voraussetzungen nicht gegeben

Zwar könne die Kommune unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht beanspruchen – zum Beispiel, wenn es um Belange des Denkmalschutzes, um die Entwicklung eines neuen Bauprojekts oder anderen Notwendigkeiten der Ortsentwicklung gehe. Doch beim Harzresort „Waldesruh“ treffe all dies nicht zu. Sich darüber hinwegzusetzen, bedeute ein finanzielles Risiko. Und: „Diese Entscheidung kann beklagt werden und ist schadensersatzpflichtig“, so Zedschack.

Ortsbürgermeister Wolfgang Kurch (parteilos) versteht die Bedenken der Einwohner. „Der Aufschrei im Ort ist groß.“ Man brauche Angebote für Urlauber: „Für Allrode wäre das sehr bedauerlich, weil diese Flächen für die touristische Nutzung verloren gehen“, sagt er. Jetzt, wo es mit dem Tourismus bergauf gehe, fehle es an Anlaufpunkten. Sollte das Harzresort „Waldesruh“ mit Hotel und Gastronomie nicht mehr zur Verfügung stehen, würde das eine Lücke reißen. „Uns als Ortschaftsrat ist sehr daran gelegen, dass es für eine touristische Vermietung erhalten bleibt“, so Kurch.

Daher habe er mit den Ortsräten am Dienstag in nichtöffentlicher Sitzung dem bisherigen Eigentümer angeboten, bei der Suche nach anderen Kaufinteressenten zu helfen.

Keine Auskunft vom Eigentümer

Gegenüber der Volksstimme wollte sich der Resort-Besitzer auf Nachfrage nicht äußern. „Zu meinen Privatangelegenheiten gebe ich keine Auskunft“, sagte der Mann, der jahrelang Geschäftsführer eines großen, landesweiten Interessenverbandes war.

Es liege beim Eigentümer, ob er das Angebot von Ortschaftsrat und Stadt annehme, sagte Zedschack. Zudem könne man gemeinsam mit der Harzer Kreisverwaltung kontrollieren, dass die neuen Eigentümer die Vorschriften einhalten. Das sieht Landrat Thomas Balcerowski (CDU) genauso. Zwar könne der Landkreis den Kauf nicht verhindern, bei Grundstücksverkäufen sei er nicht zuständig. Doch er könne die Einhaltung der bisherigen Auflagen kontrollieren. „Wir werden sehr genau verfolgen, was dort passiert.“

Die Nutzungserlaubnis für das Grundstück gelte nur für eine kurzfristige touristische Vermietung. „Dauerwohnen ist nicht im Sinne der derzeit gültigen Bau- und Nutzungsgenehmigung“, so der Landrat weiter. Darauf müsse der bisherige Eigentümer den Käufer „dringend“ hinweisen, da er sonst womöglich Schadenersatz würde leisten müssen. Das Bauordnungsamt des Kreises werde die Entwicklung im Auge behalten, das Ordnungsamt bei Verstößen einschreiten. „Wir lassen Thale nicht allein“, so der Landrat.

Vorsicht bei Sektenbegriff

Der weltanschauliche Hintergrund der SSRF ist nicht einfach einzuschätzen. Bei der Bezeichnung „Sekte“ sei Vorsicht geboten, sagt Pfarrer Sören Brenner, der der Arbeitsgemeinschaft „Konfessionen – Religionen – Weltanschauungen“ der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands vorsitzt. Nicht nur, weil strafrechtliche Konsequenzen drohen könnten: Laut Definition sei eine Sekte eine Gruppe, die sich von einer religiösen Gemeinschaft abgespalten habe. Der Hinduismus, der die Basis für die Weltanschauung der SSRF bilde, sei sehr pluralistisch. „Da hat vieles Platz“, so Brenner – sogar christliche Heilige.

Nach seiner Einschätzung stehe die SSRF in der Tradition hinduistischer Gruppen, die seit mehr als 100 Jahren versuchen, ihren Glauben mit westlichem Denken zu verbinden und im Westen Anhänger zu gewinnen. Auf ihrer Internetseite heißt es, dass praktisch alle Probleme des Lebens auf einer spirituellen Ebene gelöst werden könnten, was wissenschaftlich zu begründen sei. Laut dem Kölner Sektenexperten Stefan Schlang ist dies zwar fragwürdig, aber durch die Religionsfreiheit gedeckt.

In Sachsen-Anhalt sei die Gruppierung bisher nicht in Erscheinung getreten, so Brenner. Er vermutet, dass ihre Vertreter „friedliebend, konziliant und seriös auftreten“ werden. Im Hintergrund könnten aber kritikwürdige Praktiken stehen, weshalb Vorsicht geboten sei. Kritisch zu sehen sei der SSRF-Gründervater: Er soll in Indien eine extreme, hindunationalistische Organisation begründet haben. Wenn aus den Hotels in Allrode Seminarzentren mit internationalem Publikum würden, sei die Frage, ob dies Harz-Urlauber verprellen könnte. Eine Volksstimme-Anfrage zum Hotelkauf beantwortete die SSRF bisher nicht.

Das Hotel „Waldesruh“ gehört ebenfalls zum gleichnamigen Resort, das an die Käufer der weltweit agierenden Stiftung gehen soll.
Das Hotel „Waldesruh“ gehört ebenfalls zum gleichnamigen Resort, das an die Käufer der weltweit agierenden Stiftung gehen soll.
Foto: Katrin Schröder