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Storch Wenn der Beringer zum HNO-Arzt wird

Zwei Jungstörche wurden am Sonnabend in der Grovesmühle bei Veckenstedt (Landkreis Harz) beringt.

Von Jörg Niemann 25.05.2020, 13:05

Veckenstedt l Der Veckenstedter Storchennachwuchs hat seit Sonnabend Ringe. Storchenbetreuer Georg Fiedler aus Rohrsheim verpasste den beiden Jungtieren vom Horst auf dem Schornstein auf dem alten Heizhaus ihre „Personalausweise“ in Form von codierten Aluringen.

Die Aktion am späten Sonnabend-Vormittag war die erste Beringung der neuen Saison und wurde wieder von der Drehleiter der Ilsenburger Feuerwehr unterstützt. Ortswehrleiter Fabian Gaede übernahm das Kommando diesmal selbst, denn er war mit Kay Dannhauer, einem noch relativ unerfahrenen Maschinisten angereist. „Solche Aktionen sind neben dem Naturschutz für uns Gelegenheit zum Training unter Einsatzbedingungen, denn es geht nicht um Zeit, sondern um Präzision. Da hat Kay klasse Arbeit geleistet“, schätzte Gaede im Nachgang ein. Und dass es für beide Feuerwehrkameraden auch ein nicht alltägliches Erlebnis war, sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Wie wichtig solche Beringungsaktionen auch für die Tiere selbst sind, zeigte sich am Sonnabend deutlich. „Eines der Jungtiere hatte einen mit Lehm verklebten Schnabel. Der Lehm saß so fest, dass das Tier ihn hätte nicht von allein lösen können“, sagte Georg Fiedler. Also wurde der Jungvogel zu Boden gebracht und dort beringt. Und ihm wurde vom „HNO-Arzt“ Fiedler der Schnabel gründlich geputzt. „Gerade in der Zeit des Wachstums ist ein sauberer Schnabel für die Jungen wichtig. Greift der Mensch da nicht ein, kann es durch den getrockneten Dreckklumpen zu Deformierungen des Schnabels kommen. Dies kann zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme, im Ex-tremfall sogar bis zum Hungertod führen“, so der Fachmann.

Der etwa vier bis fünf Wochen alte Jungvogel ließ die Prozedur der Schnabelpflege und Beringung ruhig über sich ergehen. Hintergrund dafür ist eine so genannte Akinese, eine Schutzfunktion der Tiere, die sich in einem bestimmten Alter bei Gefahr einfach tot stellen. Und dieses Verhalten ermöglichte es auch einigen Schaulustigen, dass der Storchennachwuchs von den Kindern gestreichelt werden konnte. Auch so etwas ist nicht aller Tage möglich.

Die beiden Alttiere kannten die Beringungsprozedur bereits aus den Vorjahren, waren aber dennoch aufgeregt. Sie ließen den Drehleiterkorb diesmal sehr weit an den Horst heran, bevor sie selbst flüchteten. Danach drehten sie einige Kon-trollrunden und verfolgten von einem anderen Schornstein der Grovesmühle aus das Geschehen. „Na klar ist das für die Alttiere ungewohnt, letztlich aber völlig ungefährlich. Die Störche wissen halt nicht, dass die Aktion ihrem Schutz dient“, sagte Georg Fiedler nach der Beringung.

Und wie recht er hatte, zeigte sich in diesem Jahr besonders deutlich. Kaum war die Drehleiter zur Hälfte wieder eingefahren, landete eines der Alttiere schon wieder auf dem Horst und inspizierte seinen frisch beringten und schnabelgeputzten Nachwuchs. Auch die Jungen „erwachten“ aus ihrer Akinese und machten sich schon kurz darauf über das vom Alttier mitgebrachte und ausgewürgte Futter her.

Bis die Jungen selbstständig ausfliegen können, wird es nun noch etwa vier Wochen dauern. Dann sind die jetzt noch Kleinen schon fast so groß wie ihre Eltern.