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Streit Kulturkirche: neue Zerreißprobe

Wernigerodes Stadträte fetzen sich erneut wegen der Kulturkirche. Erst im Mai hatten sie einen Zuschuss für das Projekt abgelehnt.

Von Ivonne Sielaff 01.09.2018, 01:01

Wernigerode l Das war zu erwarten: Die zweite Runde in der Schlammschlacht um die Kulturkirche ist eingeläutet. Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) und CDU-Stadtrat Matthias Winkelmann wollen den Umbau der Liebfrauenkirche zum Konzertsaal mit einer knappen halben Million Euro aus der Stadtkasse bezuschussen. Dafür brauchen sie eine Mehrheit im Stadtparlament. Das Thema ließ bei der Sitzung am Donnerstag - knapp vier Monate, nachdem eine finanzielle Beteiligung der Stadt an dem Projekt der Kulturstiftung erstmals durchgefallen war - erneut die Wogen zwischen Befürwortern und Gegnern hochschlagen.
Dabei ging es an dem Abend lediglich darum, den Vorschlag von Gaffert und Winkelmann zur Diskussion in die Ausschüsse zu verweisen. Doch so lange wollten einige Lokalpolitiker nicht warten und hauten sich ihre Argumente sofort verbal um die Ohren.
Es sei wichtig, die Liebfrauenkirche als Denkmal zu erhalten. Mit Blick auf das Stadtentwicklungskonzept warb Gaffert um Zustimmung. Zumal die Kulturstiftung für das Projekt knapp vier Millionen Euro Fördergeld vom Land in Aussicht hat. "Wir sind in einer sehr glücklichen Lage", so Gaffert. Dazu komme, dass die Stiftung durch "Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen" viel Geld eingeworben hat, so dass sich der benötigte städtische Zuschuss von knapp einer Millionen Euro auf 480.000 Euro verringert habe.
Gleichzeitig teilte Gaffert gegen Christian Härtel aus. Der Linke-Stadtrat hatte ihm im Hauptausschuss vorgeworfen, mit seiner Vorlage "einen demokratischen Ratsbeschluss" zu missachten. Er habe sich vorab vom Stadtjustiziar und der Kommunalaufsicht beraten lassen, sagte Gaffert. "Da sind Sie übers Ziel hinausgeschossen, lieber Herr Härtel. Aber das kennen wir ja von Ihnen."
Gafferts Kompagnon Matthias Winkelmann engagiert sich für die Kulturkirche, weil er als "Kaufmann und Handwerker sieht, was in der Innenstadt vor sich geht". Der Leerstand bei den Geschäften in der Burgstraße sei ein großes Problem, dem man mit dem Konzertsaal entgegenwirken könnte. "Ich sehe in der Bevölkerung eine Tendenz für das Projekt." 750 Leute hätten die Kulturkirche mit "Steinspenden" unterstützt, so Winkelmann. Allein dadurch seien 125.000 Euro gesammelt worden.
"Wir haben die Chance, viel Geld zu bekommen und etwas zu errichten, das vielen Bürgern Freude bringt." Und wenn sich die Baukosten erhöhen sollten - woran Matthias Winkelmann aber nicht glaubt - sei das Sache der Kulturstiftung und nicht der Stadt.
"Sie haben wohl den Schuss nicht gehört?", kommentierte Sabine Wetzel (Bündnis 90 /Die Grünen) Winkelmanns Aussagen. "Wann beginnen denn Konzerte? Ich kenne wenige Geschäfte, die nach 19 Uhr geöffnet haben und davon profitieren würden", so Wetzel, die eine Belebung der Burgstraße durch einen Konzertsaal anzweifelt und stattdessen Verkehrschaos befürchtet. Sie sehe auch keine breite Unterstützung in der Bürgerschaft. "750 Spender? Wernigerode hat einen Großteil mehr Bürger. Es kommt immer darauf an, mit wem man spricht."
Thomas Schatz (Linke) kritisierte, dass den Stadträten die Gesamtkosten des Projektes "scheibchenweise" serviert werden. Die Ausgaben für Umbau und Sanierung der Kirche seien innerhalb von vier Monaten von 5 auf 6,4 Millionen Euro gestiegen. "Wenn das so weiter geht, glaube ich nicht, dass die Stiftung das Geld dafür aufbringt." Sie werde beim Rathaus anklopfen. Zudem sei laut Schatz keine "verantwortungsvolle Entscheidung" ohne Kenntnis der aktuellen Finanzlage der Stadt möglich. Da sich Winkelmann und Gaffert weigerten, ihre Vorlage bis zur Offenlegung der Haushaltszahlen zurückzuziehen, schlug Schatz vor, sofort über den städtischen Zuschuss abzustimmen. Das fand jedoch keine Mehrheit.
Kevin Müller (SPD) verwies in Sachen Haushalt auf die mittelfristige Finanzplanung, die seit Mai vorliegt. Er könne die Kritikpunkte der Gegner nicht teilen. Die Kulturkirche werde von der Bevölkerung getragen, sei kein Klientelprojekt.
Nach dem ersten Schlagabtausch in der Stadtratssitzung befassen sich in den nächsten Wochen die Fachausschüsse mit dem Thema Kulturkirche. Die Entscheidung über den 480.000-Euro-Zuschuss fällt am 27. September. Dann stimmen die Lokalpolitiker auch darüber ab, ob die Stadt noch 240.000 Euro für die Sanierung der Liebfrauenkirche freigibt - Geld aus dem Fördertopf zum Städtebaulichen Denkmalschutz.
Hintergrund: Die Kulturstiftung hat die Liebfrauenkirche Anfang 2018 für einen Euro von der Kirchgemeinde St. Sylvestri/Liebfrauen gekauft, um das Gotteshaus in einen Konzertsaal mit über 500 Plätzen umzubauen. Der Veranstaltungssaal soll zudem ständiger Sitz des Philharmonischen Kammerorchesters werden. Die Gesamtkosten liegen aktuell bei 6,4 Millionen Euro.
Allein 1,4 Millionen Euro davon sollen in die Instandhaltung des Gebäudes fließen. Die Kulturstiftung will sich mit 200.000 Euro an der notwendigen Sanierung des Gebäudes beteiligen. Den Rest müssten Wernigerode (240.000 Euro) und das Land (960.000 Euro) über ein Förderprogramm zum Städtebaulichen Denkmalschutz übernehmen. Für den eigentlichen Umbau in einen Konzertsaal erwartet die Stiftung knapp vier Millionen Euro Fördergeld von Land und EU. Insgesamt 320.000 Euro sind inzwischen durch kleinere und größere Spenden zusammengekommen. Die Stiftung rechnet mit weiterer finanzieller Unterstützung.