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Talsperre Bauprojekt für über drei Millionen Mark

Nach langer Diskussion und Bauzeit war es vor 83 Jahren soweit: Die Zillierbachtalsperre wurde offiziell in Betrieb genommen.

Von Ralf Mattern 01.04.2020, 10:48

Wernigerode l Nicht immer hat Wikipedia recht: Dort ist unter dem Stichwort „Talsperre Zillierbach“ zu lesen, dass „der Plan, am Zillierbach eine Talsperre zu errichten, 1931 entstand“.

Das ist falsch. Im Gegenteil – 1931 stand die Idee sogar vor dem Aus. Die „Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt“ schrieb am 19. Juni 1931: „Vor wenigen Wochen hat die Frage der Wasserversorgung unsrer Stadt und des Baues einer Talsperre die Gemüter ziemlich heftig erregt, und manches Für und Wider ist zu dem Talsperrenprojekt laut geworden. Nachdem der Kreistag den von ihm erbetenen Zuschuß abgelehnt hat, könnte es den Anschein gewinnen, als ob die ganze Angelegenheit nun in die Versenkung gefallen sei. (...) Aber der Beschluß des Kreistages, ein so wesentlicher Faktor er auch sein mag, ist doch wohl nicht dazu angetan, das ganze Projekt ins Wanken zu bringen, nachdem viel größere finanzielle Beihilfen schon zugesichert sind.“

Festzuhalten ist, dass eigentlich schon 200 Jahre zuvor der Wunsch nach einer Bändigung des Zillierbachs bestanden haben soll, nämlich im Jahr 1731. Und auch die immer wieder auftretenden Hochwasser und Überschwemmungen, wie zum Beispiel 1905 oder 1927 oder die Trockenheit im Jahr 1928 beförderten Überlegungen zum Bau einer Talsperre.

Konkret wurde dann in der Wernigeröder Stadtverordnetenversammlung im August 1928 diskutiert. Die Beratungen zogen sich hin. So konnte erst am 24. Juli 1930 das „Halberstädter Tageblatt“ aus der Wernigeröder Stadtverordnetenversammlung berichten: „Als Berichterstatter des Verwaltungsrates der städtischen Werke trug der (liberaldemokratische) Vorsteher (Otto) Büchting die Vorlage über die Beteiligung der Stadt Wernigerode an den Kosten für die Erbauung einer Talsperre im Zillierbachtal vor. (...) Für diesen so geformten Antrag stimmten alle Stadtverordneten mit Ausnahme der Nationalsozialisten.”

Für die NSDAP bedeutete eine schlechte Wirtschaftslage mit möglichst vielen Arbeitslosen die Chance, Wählerstimmen zu bekommen – man war am Funktionieren der Demokratie und der Wirtschaft nicht interessiert. Als die Nazis dann jedoch 1933 an die Macht kamen, war es ihr Ziel, mit allen Mitteln die Arbeitslosigkeit zu mindern. Das nach dem Staatsekretär im Reichsfinanzministerium sogenannte „Reinhardt-Programm“ hatte 1933 die rechtliche Grundlage zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und verschiedenen Bestimmungen über den Einsatz von Arbeitskräften gelegt. Jedoch waren diese Steuer- und Arbeitsbeschaffungsgesetze lediglich Ergebnisse der Vorarbeiten aus der Zeit vor der NS-„Machtergreifung“ und eigentlich eine Fortsetzung der Steuerpolitik aus der Weimarer Republik. Und so begannen dann im Herbst 1933 die ersten Vorarbeiten und 1934 der Bau der Talsperre. Der Aushub von 8 000 Kubikmetern Erde, der Ausbruch von 23 000 Kubikmeter Fels und die Herstellung von etwa 60 000 Kubikmeter Beton lassen erahnen, warum der dreijährige Bau 3,5 Millionen Reichsmark verschlang.

In einem zeitgenössischen recht pathetisch gehaltenen Bericht in der „Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt“ heißt es: „Unendlich groß scheint die Fläche und winzig die Menschen, die dort Arbeit und Brot fanden (...) Zur Zeit sind 30 Holzhauer beschäftigt. Jedoch wird sich die Zahl voraussichtlich schon in der nächsten Woche auf 60 erhöhen, die vom Arbeitsamt aus der Reihe der Notstandsarbeiter der Bauleitung zugeteilt werden. (...) Am Bahnhof Dreiannen-Hohne (steht) eine ganze Anzahl Geräte, Schienen, Schwellen für die zu legende Kleinbahnstrecke von Dreiannen-Hohne, (...) die für den Arbeitsfortgang eine unerläßliche Hilfe sein wird. Die Bahn soll Zubringerdienste leisten für das benötigte Material.“

Kurz vor der Übergabe der Talsperre im Jahr 1936 keimten erneut Gerüchte auf, die die Standfestigkeit der Anlage in Frage stellten. Regierungsrat Forner nahm öffentlich Stellung – die „Wernigeröder Zeitung und Intelligenzblatt“ berichtete: „Die Talsperre in ihrer gegenwärtigen Lösung sei ein Werk, dessen Güte bisher noch von keiner anderen erreicht sei. Um so unverständlicher sei es, daß immer wieder von den verschiedensten Seiten her versucht werde, in diesem oder jenem Sinne an dem Bau herumzukritisieren und oft die unsinnigsten Gerüchte in die Welt zu setzen. Was von einer angeblichen Undichtigkeit oder mangelnden Standfestigkeit der Sperrmauer behauptet werde, entbehre jeder Grundlage. Sie sei nicht nur einem normalen Wasserdruck gewachsen, sondern würde selbst einem Druck standhalten, der mehr als das Doppelte des normalen Druckes ausmachen dürfte. Ganz abgesehen davon ist ein gewisser Wasserverlust bei jeder Talsperre festzustellen. Zur Zeit werden die Halden vom Grobsteingeröll befreit und die Böschungen in diesem und im nächsten Jahr begrünt. Die Anlage werde Ende Juli betriebsfertig und Anfang August übergabereif sein.“

Wie der Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt auf Nachfrage mitteilte, war der Bau der Zillierbachtalsperre am 30. Juni 1936 fertiggestellt, die Inbetriebnahme erfolgte im April 1937.