Führungen mit der Handleuchte durch das Wernigeröder Schloss sind bei Besuchern beliebt Taschenlampe sorgt für Aha-Effekte
Mit der Taschenlampe durch das Schloss Wernigerode: Die Führungen im Halbdunkel, die seit einem Jahr angeboten werden, sind der Renner. Beim Spaziergang durch das ehrwürdige Gemäuer lernen die Gäste viele Winkel kennen, die sonst verborgen bleiben.
Wernigerode l Die Menschentraube am Diensteingang des Wernigeröder Schlosses löst sich auf. Männer, Frauen und Kinder strömen durch die Tür. "Das ist immer so", sagt Bernd Fraaß. Die Taschenlampenführungen, die der Schlossmitarbeiter seit einem Jahr anbietet, sind beliebt bei Gästen und Einheimischen.
Bernd Fraaß muss deshalb manchmal diskutieren - wenn statt einem angemeldeten Gast auf einmal drei erscheinen. "Eigentlich ist die Teilnehmerzahl auf 20Personen begrenzt"; erklärt der 53-Jährige. Doch manchmal ist das kaum einzuhalten. Denn Taschenlampenführungen sind gerade sehr in Mode. Museen, Schlösser und sogar Zoos schicken ihre Besucher mit Handleuchten auf Rundgänge. "Ich habe davon gehört, dass so etwas im Magdeburger Dom angeboten wird. Da dachte ich: Das können wir auch", erklärt Fraaß.
Das Angebot kommt an: Die nächsten Termine im Februar sind bereits restlos ausgebucht. Möglich, dass noch zusätzliche Führungen angeboten werden. "Doch irgendwann geht es nicht mehr, weil es abends zu lange hell bleibt", sagt der Schlossführer.
Wer keine eigene Taschenlampe dabei hat, kann sich eine aus der Kiste nehmen, die Bernd Fraaß bereithält. Die roten Lampen sind am Fuß mit einer Kurbel versehen - wer Licht haben will, muss drehen. Das leise Surren begleitet die Schritte der Besucher, die auf den Schlosshof hinaustreten.
Der Schein der Taschenlampen tanzt über die Fassaden, während Bernd Fraaß im Schnelldurchlauf die Baugeschichte des Schlosses erläutert - ein Zugeständnis an die erwachsenen Besucher. "Eigentlich sind diese Führungen vor allem für Kinder gedacht", sagt der Schlossführer. Zu viele Zahlen wären da abschreckend.
Danach geht es in den Keller. "Immer schön nach unten leuchten!", ruft Bernd Fraaß. Er erzählt von der Folterkammer, die sich angeblich in dem ältesten Schlossgewölbe befunden haben soll, und zeigt das Schaumodell. Vom Keller geht es in flottem Tempo hinauf ins Dachgeschoss. "Das mache ich, damit keiner mehr die Puste hat, sich zu beschweren", witzelt der 53-Jährige.
Die Gruppe drängt sich in einer Dachkammer und lauscht Bernd Fraaß, der erklärt, wo sich die Musikempore, Badezimmer und andere Räume befunden haben. Die Besucher richten die Leuchten auf Balken, Türen, abgedeckte Möbel. "Mit Taschenlampe hat man einen ganz anderen Raumeindruck. Das stärkt die Sinne", sagt Bernd Fraaß. Das sehen auch Judith Meysing und ihre Tochter Alicia aus Bittstedt im Eichsfeld so - obwohl die Zehnjährige die Tour im Halbdunkeln "etwas gruselig" findet.
Für Begeisterung statt für Angst sorgt hingegen das "Kleine Gespenst"- versteckt in einer Truhe, die die kleinen Besucher öffnen dürfen. Bilder erinnern an den Filmdreh im Juni 2012 auf Schloss Wernigerode - der Streifen über den niedlichen Geist hat dem Schloss viel Aufmerksamkeit beschert, sagt Fraaß. "Das kleine Gespenst ist wichtig, das wird viel nachgefragt."
Auch Michaela Hoffmann hat mit ihrer Familie den Film gesehen und das Schloss erkannt. "Wir waren 2011 schon einmal hier. Es ist ein richtiges Bilderbuch-Schloss", sagt die Potsdamerin, die mit Sohn Ben Noah und Mann Sebastian Müller die Treppe vom Turmzimmer zur Schlosskirche hinabsteigt. Vor allem der Siebenjährige mit der Stirnlampe ist begeistert. "Er ist ein großer Ritterfan, deshalb sind wir hier", sagt seine Mutter.
Eine echte Ritterrüstung soll der Junge noch zu Gesicht bekommen - am Ende des Rundgangs durch die Ausstellung des Schlosses. "Original erhalten, 500 Jahre alt", erklärt Bernd Fraaß. Nachdem der letzte Gast einen Panoramablick aus dem Fenster auf die Lichter der Stadt im Tal erhascht hat, erzählt Bernd Fraaß einige echte Gruselgeschichten - von Schritten auf dem Parkett, Stimmen im Schlosshof und Bildern, die sich plötzlich bewegen. "Seitdem ich hier arbeite, schaue ich keine Gruselfilme mehr", sagt er und lacht.